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Die Schatzjägerin 3-2

Abgelegt unter Aus der Werkstatt
Sonntag, 25. April 2010

Prolog

 

 

New York City/ 24.01.2009, 21:30 Uhr

 

I

 

„Doktor Berger, in vorangegangenen Sendungen haben Sie uns von Ihren Abenteuern als Schatzjägerin berichtet. Thema waren jedoch zumeist die Alten und das, was sich in Maine und Peru abspielte. Nun dürfen wir Sie und Ihre Partnerin Patricia Cameron live bei einer neuen, spannenden Schatzjagd begleiten. Erzählen Sie den Zuschauern doch kurz, worum es überhaupt geht.“

Gina Simmons lächelte die beiden Frauen gewinnend an. Die Moderatorin von Para-World, einem kleinen Kabelsender aus New York City, kannte die Geschichte bereits. Die Fragen waren mit den beiden Archäologinnen ebenso abgestimmt wie die Filmbeiträge, die hin und wieder eingespielt wurden.

Nicht Jaqueline antwortete, sondern Patricia. Obwohl sie es nicht gewohnt war, in Kameras und in die erwartungsvoll dreinblickenden Augen von gut 1500 Live-Gästen zu schauen.

„Eine meiner Studentinnen trat mit der Bitte an mich heran, eine alte Familienlegende zu überprüfen. Eine Legende, in der es um Templer, Schätze und Gefahr geht. Wie sich zeigte, entsprach die Geschichte, welche sie mir erzählte, der Wahrheit. Daher suchen wir nun das, was ihr von Geburtswegen zusteht.“

„Ah, die Templer!“ Gina nickte, als wisse sie alles über dieses Thema. „Doktor Berger, im Laufe der Zeit wurden die Templer zu einem mystischen Orden verklärt, der die Geheimnisse dieser Welt bewahrt habe. So sollen sie den Heiligen Gral in ihrem Besitz haben und ein Geheimnis hüten so gewaltig, dass die Menschen erbleichen würden, käme es jemals an die Öffentlichkeit. Wir alle kennen die einschlägigen Romane und Filme zu diesem Thema. Was genau ist davon wahr?“

Jaqueline lächelte milde. Sie fühlte sich vor den Kameras deutlich wohler als ihre Partnerin. Auch, weil sie häufig Gast in Studio II von Premium-Cable New York City gewesen und die Fragen der Moderatorin beantwortet hatte. Inzwischen hielt sie sogar Anteile an dem Sender, so dass ihr der Erfolg der Sendung zugute kam. Kein Wunder also, dass sie allzu gerne dazu beitrug, diesen Erfolg zu steigern.

„Es gibt Geheimnisse“, erklärte sie und tat nachdenklich, „welche von den verschiedenen Templer-Einheiten rund um den Globus gehütet werden. Viele dieser Gruppen gehen auf den ursprünglichen Orden zurück, aber bei weitem nicht alle.“

„Welche Geheimnisse sind das?“, wollte Gina Simmons wissen. Während sie die Frage stellte, schenkte sie der Kamera einen viel sagenden Blick.

„Das kann ich dir nicht sagen. Zum einen bist du keine Templerin, so dass ich dich nicht einweihen darf. Zum anderen sind die Geheimnisse teilweise so bizarr und bedeutsam, dass sie keinesfalls an die Öffentlichkeit gelangen dürfen.“

„Das lässt nun natürlich nur eine Frage zu“, schoss die Moderatorin der Sendung zurück und überraschte Jaqueline damit, denn das Folgende war nicht abgesprochen. „Woher wissen Sie davon, Doktor Berger? Sind Sie eine … Templerin?“

Jaqueline griff nach ihrem Glas und nahm einen tiefen Schluck. Sie wollte Zeit gewinnen, um sich eine gute Antwort zurechtzulegen. Einerseits fand sie die Frage der Moderatorin und vor allem deren Improvisation nicht sonderlich gut. Andererseits musste sie zugeben, dass sich diese Frage förmlich aufdrängte. Mehr noch – hätte sie Gina nicht gestellt, wäre ihrer beider Glaubwürdigkeit ins Wanken geraten. Jaqueline konnte nicht über Dinge referieren, die nur Eingeweihten bekannt waren – und dann nicht erklären, wie sie an dieses Wissen gelangt war.

Und Gina konnte diese Frage, die vermutlich jeden Zuschauer just in diesem Moment bewegte, nicht ungestellt lassen.

„Mir wurde vor wenigen Wochen die Ehre zuteil, Mitglied dieser durch und durch außergewöhnlichen Gemeinschaft zu werden; ja.“

Gina nickte zufrieden, während im Studio spontaner Applaus ausbrach; Leuchtschilder im Off hinter den Kameras animierten die Zuschauer dazu, kräftig in die Hände zu klatschen.

Das Publikum mochte Jaqueline ohnehin, denn sie präsentierte auch die trockensten Fakten auf unterhaltsame Weise.

„Kommen wir zurück zu dem Schatz, den Sie beide suchen. Was erwarten Sie zu finden?“

Erneut antwortete Patricia. „Überwiegend Münzen. Vielleicht auch etwas Schmuck, edle Waffen und – wenn sie sicher verpackt gelagert wurden – Dokumente. Kredite, Anleihen und frühe Kontoauszüge. Schließlich schufen die Templer eines der ersten Bankwesen. Man konnte in Frankreich sein Geld einzahlen und in Jerusalem etwas davon abheben. Unterwegs führte man lediglich Dokumente mit sich, die für jeden anderen außer den rechtmäßigen Inhaber völlig nutzlos waren.“

Gina nickte. Sie hatte all das bereits gehört. Die Zuschauer hingegen erfuhren eventuell etwas Neues.

„Was werden Sie mit dem Schatz tun, wenn Sie ihn gefunden haben?“

„Das steht noch nicht fest. Zumal die Suche erst begonnen hat. Während wir uns unterhalten ist unser Team bestrebt, mehr über die geteilte Karte des Templers herauszufinden. Das ist kein leichtes Unterfangen.“

„Wir schwer und gefährlich es sein kann, beweist der folgende Filmbeitrag“, erklärte Gina, ehe sie sich umwandte. Hinter ihr befand sich eine große Leinwand. Dort konnten die Studiogäste verfolgen, was die Zuschauer vor der Flimmerkiste als Einspielung sahen; Jacks und Patricias gefahrvolle Kletterpartie in Südamerika. Über Lianen und glitschige Felsen waren beide in ein Höhlensystem vorgedrungen, um dort nach dem Amulett einer Verstorbenen zu suchen; dem Schlüssel der Templer. Die Kameras ihrer Datenbrillen hatten die schwierige Aktion aufgezeichnet.

Die Zuschauer hielten die Luft an, als eine der beiden Schatzjägerinnen abstürzte, sich aber im letzten Moment halten konnte. Der Applaus, der kurz darauf aufbrandete, war tatsächlich spontan.

„Zum Schluss noch ein Wort zu Ihrer Konkurrenz“, bat Gina, nachdem der Film zu Ende war. „Auch andere wollen den Schatz. Wer und warum?“

„Söldner im Auftrag einer islamistischen Vereinigung. Verräter, wenn man es so will, die ihr Können und ihre Moral für Geld feilbieten. Die Islamisten hoffen, ein mystisches Artefakt inmitten des Schatzes zu finden, um damit die westliche Kultur zu unterwerfen.“ Jaqueline schaute in die Kamera, als wolle sie ihrem Widersacher und nur ihm direkt in die Augen schauen.

„Um welches Artefakt geht es dabei?“ Die Augen der Moderatorin leuchteten.

„Das, was wir als Stab des Moses kennen. Jenen Stab, mit dem er Wasser aus einem Felsen fließen und das Meer zur Seite weichen ließ. Patricia und ich glauben jedoch, dass es sich um ein mächtiges Artefakt der Alten handelt. Wir müssen verhindern, dass es in die falschen Hände fällt. Eine Burka steht mir nämlich nicht und genau die müssten alle Frauen tragen, setzen sich die extremen Moslems durch.“

Die beiden Schatzjägerinnen sahen das Entsetzen in den Gesichtern der Zuschauer. Sie hatten plötzlich sehr viele Verbündete gewonnen. Verbündete, die jede ihrer Handlungen dulden würden, so lange die Islamisten nicht gewannen. Jede Frau im Studio stellte sich just in diesem Augenblick vor, wie dass sein mochte – eine Burka zu tragen, sich den fanatischen Ideen religiös verblendeter Moslems zu unterwerfen.

Patricia begriff, wie richtig Jaquelines Idee gewesen war, Para-World für ihre Zwecke einzuspannen. Zwei große Schatzjagden hatten sie in größtmöglicher Heimlichkeit durchgeführt, Freunde verloren und alles auf eine Karte gesetzt.

Wie weit wären die Assassinen gegangen, hätte sie Patricia an das grelle Licht der Öffentlichkeit gezerrt? Gewiss, dem Mala‘ak hätte all das nichts bedeutet. Wohl aber der SSSK, die doch ach so auf ihr Image bedacht waren und leise mordeten.

„Wie ernst es den Söldnern ist, zeigt dieser kurze Beitrag. Die Szenen entstanden in Italien und hatten den Tod eines Millionärs namens Sforza zur Folge …“ Gina deutete auf den Bildschirm hinter ihr.

Ein Helikopter jagte auf eine Villa zu, Geschosse wurden abgefeuert. Anschließend seilten sich Söldner ab, es fielen Schüsse.

Nach einem Schuss sah man die Szene aus Jaquelines Sicht. Die Forderungen und Brutalität der Angreifer, der tote Millionär und die beiden Männer, die sich am Ende ergeben mussten.

Wieder war der Applaus echt, ebenso die Erleichterung der Zuschauer.

Gina wartete mit ihrer nächsten Frage, bis sich die Zuschauer wieder beruhigt hatten. Erst dann räusperte sie sich. „Wie werden Sie nun vorgehen?“

„Wir werten aus, was wir bislang in Erfahrung bringen konnten. Unser Team verfolgt mehrere Spuren. Eine davon wird zum nächsten Teilstück führen. Es ist eine große Schnitzeljagd. Am Ende findet man den Schatz. So zumindest hoffen wir.“ Patricia lächelte in die Kamera. Sie war erleichtert, dass sich die Sendung ihrem Ende näherte.

„Kommen wir zu den Zuschauerfragen“, rief die Moderatorin fröhlich. Wie stets würden sie den Schluss bilden. Fünf Fragen, die über Telefon oder Internet hereingekommen waren und fünf Fragen aus dem Live-Publikum. So war es Tradition, so würde es auch diesmal werden.

Noch bevor sie einen der gestreckten Arme auf den Rängen auswählen konnte, sprangen zwei Männer auf und entrollten zur Verblüffung aller ein großes Transparent.

„Was soll denn der Mist?“, murmelte Jaqueline, als sie die Schrift auf dem weißen Stoff las. „Sind sie verrückt?“

 

Jesus starb für dich, Jaqueline Berger! Bereue deine ketzerischen Worte, die Hölle wartet schon auf dich!

 

 

„Bereue!“, rief einer der beiden Männer. „Gott vergibt jenen, die an ihn glauben. Du sollst keine Götter neben ihm haben, Jaqueline Berger. Es gibt keine Großen Alten. Nur Gott und er ist allmächtig!“

Saalordner eilten herbei, um die Männer samt ihres Transparents aus dem Studio zu werfen. Doch noch bevor sie heran waren, zog einer der beiden eine Pistole.

Jaqueline wollte noch in Deckung gehen, aber es war zu spät. Schon drückte der Fanatiker ab.

Ein kurzer, aber heftiger Schmerz breitete auf Jaquelines Brust aus. Der Stoff ihres Shirts färbte sich rot, schwer kippte sie zurück in den Sessel.

Die Saalordner waren herbei und schleuderten den Schützen zu Boden. Das Publikum wich zwar zurück, geriet aber nicht in Panik. Die Sensation, die sich hautnah vor ihren Köpfen abspielte, war einfach zu groß.

„Jack!“ Patricia kauerte neben ihrer Freund und untersuchte deren vermeintliche Schusswunde. Sehr schnell erkannte sie jedoch, dass die rote Flüssigkeit auf dem Stoff kein Blut sondern Farbe war.

„Es war nur eine Warnung!“, schrie der Schütze, während man ihn hinaus brachte. „Bereust du nicht, fährst du zur Hölle. Du und all jene, die du mit deinen lästerlichen Thesen infizierst hast. Wir geben dir einen Monat!“

„Es … war nur eine Paintball-Kugel“, rief Gina, die sich recht schnell von dem Schrecken erholt hatte. „Doktor Berger ist unverletzt!“

Erleichterung waberte durch das Publikum, das konnten die beiden Schatzjägerinnen spüren. Applaus brandete auf, es gab Solidaritätsbekundungen.

„Sollen wir mit den restlichen Fragen fortfahren?“, fragte Gina Simmons, nachdem sich das Publikum wieder beruhigt hatte.

„So lange sie nicht wie aus der Pistole geschossen kommen“, scherzte Jack. Damit hatte sie die Lacher auf ihrer Seite …

 

II

 

Juanita, eine mexikanische Haushaltshilfe mittleren Alters, erwartete die beiden Schatzjägerinnen bereits, als diese das große Anwesen in Teaneck betraten.

Hier, in einem Township New Jerseys, hatten sich Jaqueline und Erin gemütlich eingerichtet. Obgleich das Haus derart groß war, dass beide Frauen ihre Familien hätten einziehen lassen können. Beide wussten, dass sie damit die Dekadenz auf die Spitze trieben. Und doch gefiel ihnen das alte, jedoch frisch renovierte Gebäude samt seinem großzügigen Garten, dem Pool und all den anderen Annehmlichkeiten, die das Anwesen bot.

„Das Essen ist bald fertig“, ließ Juanita die beiden Frauen wissen, ehe sie wieder in der Küche verschwand. Die Mexikanerin lebte nicht in dem Herrenhaus, sondern bewohnte mit ihrer Familie einen Trailer am Rande der Stadt. Anfänglich hatte Jaqueline geargwöhnt, dass es sich bei ihrer Angestellten um eine Illegale handelte, aber dies war nicht der Fall.

Noch bevor sie oder Patricia hätten etwas erwidern können, trottete ein Puma-Kätzchen heran. Sein Fell zeigte noch ein paar schwache Flecken auf, da es noch kein Jahr alt war.

Die kleine Raubkatze schnurrte, als es Jaqueline entdeckte. Willig ließ sie sich auf den Arm nehmen und streicheln.

„Ich sag es dir ja nicht gerne, Jack – du hast einen Knall. Holst dir einen Puma ins Haus. Was, wenn das Vieh ausgewachsen ist?“

„Es ist ein Weibchen, also wird es nicht allzu schwer. Knapp 50 Kilo, wie ein Tierarzt schätzte. Da Nefertari an uns Menschen gewöhnt ist, werden wir auch später noch viel Spaß miteinander haben. Nicht wahr?“

„Nefertari?“, fragte Patricia. „Du meine Güte …“

„Sie war die Große Königliche Gemahlin von Ramses dem Zweiten. Seine Lieblingsfrau, die ihm seinen ursprünglichen Thronfolger schenkte – Amunherchepeschef. Am Ende folgte ihm jedoch Merenptha auf den Thron.“

„Danke für die Geschichtsstunde“, murmelte Patricia, während sie Nefertari mit dem Finger kitzelte. Der kleiner Puma rollte sich auf Jaquelines Arm zusammen und gab seltsame Laute von sich, ohne jedoch nach dem Finger zu schlagen oder zu schnappen. „Ich glaube, ich werde mir lieber einen Hund zulegen. Jaina wünscht sich ein Haustier.“

„Nefertaris Schwester steht noch zum Kauf. Wie wäre es?“, fragte Jaqueline mit einem schmalen Grinsen auf den Lippen. Sie hob den Puma etwas hoch, um ihn mit den Lippen liebkosen zu können. „Wenn das Tier ausgewachsen ist, frisst es etwaige Einbrecher einfach auf.“

„Nein, danke.“ Patricia wandte sich ab und ging zur Treppe, die hinauf in den ersten Stock des Hauses führte. Dort oben lagen die Schlafzimmer, eine Bibliothek, ein Billardzimmer sowie die Büros; je eines für Jaqueline und Erin. „Vor dem Essen schlüpfe ich noch rasch unter die Dusche. Du solltest dich auch umziehen …“

„Ja, ich weiß. Dieser blöde rote Fleck …“ Jaqueline rieb vorsichtig über die Stelle. Noch immer scherzte sie die Brust. Auch wenn es sich nur um eine Farbpatrone gehandelt hatte, war die Wucht enorm gewesen. „Wann kommt Reannon?“

„Morgen um zehn hole ich sie vom Flughafen ab. Du hast doch nichts dagegen, dass wir ohne dich mit der Besprechung beginnen?“

Jaqueline schüttelte den Kopf, auch wenn dies Patricia nicht mehr sehen konnte. Die Schottin war bereits die Treppe hinauf geeilt. „Nein“, rief sie darum hinter ihrer Freundin her, „das macht mir nichts aus. Ich habe ohnehin einen Termin, den ich keinesfalls aufschieben kann. Wahrscheinlich dauert er den ganzen Tag. Gut möglich, dass ich erst abends nach Hause komme.“ Oder gar nicht. Dann, wenn eine gewisse Frau bei diesem Termin anwesend sein wird, die mich auch die Nacht über sehen möchte …

„Wie du meinst.“ Die Tür fiel hinter Patricia ins Schloss.

Jaqueline setzte den Puma auf den Boden und ging ebenfalls die Treppe hinauf. Sie musste ihre Wäsche wechseln. Bei dieser Gelegenheit konnte sie ebenfalls eine Dusche nehmen. Wenn sie ohnehin nackt war …

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