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Der rechte Reflex oder "Die Lust am eigenen Drama"

Abgelegt unter Allgemein
Freitag, 18. Juni 2010

Deutschland lud während des Nazi-Regims große Schuld auf sich. Das zu bestreiten wäre falsch, man kann auch keine Schuld gegen die anderer Länder aufrechnen. Was die Deutschen jedoch auch 65 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs und damit auch 65 Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft zelebrieren, ist sehr viel mehr als ein "wir dürfen nicht vergessen". Es ist eine Lust an der Schuld, ein sekundärer Gewinn, den wir aus einer Zeit ziehen, die schrecklich war, aber von der Generation meiner Eltern schon nicht mehr aktiv erlebt wurde. 

Erleben kann man dies überall.

  • In der Schule hetzen die Geschichtslehrer in kürzester Zeit von der Steinzeit durch die Antike, berühren zaghaft Mittelalter, Entdeckung Amerikas und Reformation, um nur in aller Ausführlichkeit die Nazi-Zeit zu behandeln. Diesem Wimpernschlag der Geschichte (in Relation zu den großen Epochen) wird mehr Zeit eingeräumt als den Ägyptern, die immerhin ziemlich lange existierten, oder den Römern. Es wird ihm mehr Zeit eingeräumt als der Entdeckung und Eroberung Amerikas oder den Anfängen der Menschheit. Die Schüler werden bis zum Erbrechen mit diesem Stoff vollgepumpt, und dies in einem Schwarz-Weiß-Bild, das weder der Zeit noch den Opfern gerecht wird.
  • Auf den Sendern, die sich mit Geschichte befassen, dürfte das Thema WW 2 den größten Block ausmachen. Hitler hier, Hitler da. Hitlers Helfer, Hitlers Mörder - bald gibt es vermutlich auch noch "Hitlers Friseure" oder so. 
  • Bücher, die sich mit dem Thema befassen, sind quasi schon vor Erscheinen auf der Bestsellerliste, und ein Film, der den Oskar will, sollte sich - so er aus Deutschland kommt - möglichst mit Hitler befassen. Dabei entstehen dann so witzige Fragen wie jene, ob man "Hitler als Mensch zeigen darf" - ja was war er denn? Ein Hamster?
  • Medien und Berufsempörer achten penibel auf jeden möglichen Fehlgriff bei der Wortwohl. Jedes Wort, das im Dritten Reich benutzt wurde, ist böse. Wir denken an die unselige Debatte um die "entartete Kunst" oder das Hyperventilieren beim "inneren Reichsparteitag" Kloses, den die Moderatorin ihm unterstellte. 

Wir haben uns seit dem Ende des Krieges nicht von Hitler gelöst. So, als ob wir noch immer an diesen Spinner gekettet wären, ergeben wir uns ganz den Fesseln, die wir uns selbst auferlegen. Es lebt sich ja auch bequem mit der Einstellung, die wir zur Zeit an den Tag legen. Die Deutschen, das waren die Verführten, die man befreit hat - nicht etwa besiegt. Und heute können wir uns moralisch aufschwingen und triumphierend sagen, dass wir, mit unserer Vergangenheit, ohnehin wissen, was richtig und falsch ist. Die Moralkeule liegt in unserer Hand und auch sie trägt die Buchstaben AH, denn wir ziehen sie jedem über, der uns widerspricht. "Wir Deutschen mit unserer Vergangenheit …"

Broder beschrieb dies sehr gut in seiner Laudatio auf Marcel Reich-Ranicki, zu lesen bei SpOn. Er sagte u.a.

Heute, aus dem Abstand von über 15 Jahren, würde ich zufügen: Sie und ich, wir alle leben in einem Deutschland, in dem tote Juden über alles geliebt, während die überlebenden und ihre Nachkommen als Störer empfunden werden. Dabei stimmt es nicht, dass die Deutschen vergessen und nicht erinnert werden wollen. Das Gegenteil ist der Fall. Sie können von der Vergangenheit nicht genug bekommen.

Die "Kollektivscham", mit der man sich zu der Zeit von Adenauer, Brandt und Kohl geschmückt hat, ist längst einem "Sündenstolz" gewichen, der fröhlich mit seiner grausamen Geschichte kokettiert, um daraus moralisches Kapital zu schlagen. "Gerade wir als Deutsche..." ist die Floskel, mit der fast alle Reden anfangen, die bei Auschwitz einsetzen und im Nahen Osten aufhören. "Gerade wir als Deutsche" sind dazu prädestiniert, andere zu warnen, unsere Fehler zu wiederholen. "Gerade wir als Deutsche" wissen, dass ein Krieg keine Konflikte löst und Gewalt immer neue Gewalt erzeugt. "Gerade wir als Deutsche" haben aus der Vergangenheit gelernt, wenn auch nicht, dass man das Böse bekämpfen, sondern dass man überhaupt nicht kämpfen soll.

Da steckt sehr viel Wahrheit drin. Wir zeigen gerne auf Israel, wenn vermeintliche Friedesaktivisten auf einem Schiff angegriffen werden und verschließen die Augen vor dem simplen Fakt, dass die Aktivisten zuerst zur Gewalt griffen. Ich weiß ja nicht, welche Vorstellung da die Linken und Empörer vertreten. Dass sich die Soldaten der IDF abschlachten lassen sollen? Das mit der linken und rechten Wange gehört zum Christentum, und auch wir, die wir ja alle diesem Kulturkreis entspringen, sind zum Glück ziemlich schlecht darin, Wangen hinzuhalten. Obwohl den Linken vermutlich gefallen würde, käme jemand in Afghanistan auf diese Idee.

Ich erinnere mich an die "Operation Gegossenes Blei". Damals hatte Israel nach andauerndem Raketenbeschuss – 2000 Raketen im Jahr gingen auf das kleine Land nieder – einen Krieg gegen den Terror geführt. Die Menschen in Deutschland strömten auf die Straße, um für den Frieden zu demonstrieren – gegen Israel. Friede ist gut, so lange die Palästinenser davon profitieren. Zuvor ging niemand auf die Straße, um gegen den Raketenbeschuss zu demonstrieren. 

Tatsächlich haben wir eigentlich gar nichts gelernt. Noch immer brüllen die Deutschen, dass man nicht beim Juden kaufen soll. Nur tun sie es nun in der legitimierten antisemitischen Variante, in der man zu Sanktionen gegen Israel aufruft, wenn diese sich verteidigen. Der Antisemitismus von heute kommt in Gestalt des "Friedens" für die Palästinenser daher, die Antisemiten tragen lediglich eine hübsche Maske. Der Wolf als Schaf, das "Fri-ie-ie-den meckert, aber eigentlich Blutvergießen gegen Israel meint.

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