<- Zurück zu:
Frohe Weihnachten
Ich wünsche allen Besuchern meines Blogs ein frohes Weihnachtsfest! Mögen eure Wünsche und Erwartungen an diesem Tage in Erfüllung gehen.
Weiterhin wünsche ich euch allen ein frohes Jul - möge die Göttin auf euch niederlächeln :-)
Und hier etwas, das Alt und Jung ein Lächeln auf das Gesicht zaubert ...
Eine Falle für den Nikolaus
Von Gunter Arentzen
Die Geschichte begann an einem kalten Dezembermorgen. Aber nicht an irgendeinem kalten Dezembermorgen, sondern am Nikoloaustag.
Schnee war gefallen.
Der große Apfelbaum und auch das Gras im Garten der Familie Schneider waren von einer dünnen, weißen Schicht bedeckt. Puderig war der Schnee, und ein klein wenig feucht. Gut geeignet also, um einen Schneemann zu bauen.
Oder um eine Schneeballschlacht zu veranstalten.
Oder um kleine Männchen und Figuren auf die ebenfalls zugeschneite Windschutzscheibe von Papas Wagen zu malen. So dachte jedenfalls Bernd, der Sohn der Familie. Er war schon neun Jahre alt und ging in die dritte Klasse der Grundschule.
Er stand in der Auffahrt und malte mit seinem Zeigefinger einen Tannenbaum auf die Motorhaube des blauen Autos, in dem sein Vater jeden Tag zur Arbeit fuhr. Er malte mit viel Hingabe und sorgte dafür, dass der Baum besonders groß und prächtig wurde. Und Bernd wusste, dass er sich damit Zeit lassen konnte, denn es gab nichts, was ihn im Moment gestört hätte. Schließlich war Sonntag!
Keine Schule, keine Hausaufgaben und keine Pflichten im Haushalt.
Später, das hatte ihm seine Mutter erzählt, würden sie hinauf auf den Rodelberg fahren, um ihn mit Affenzahn hinunterzusausen. Auf den neuen Schlitten, die ihnen die Oma geschenkt hatte. Aus Holz, mit roten Kuppen an den Enden der Kufen und einem langen Seil, um ihn nach der Abfahrt wieder den Berg hinaufziehen zu können.
Bernd schaute zu dem großen Küchenfenster. Sein Vater saß noch immer am Frühstückstisch und blätterte in der Sonntagszeitung, während seine Mutter abspülte. Er hoffte, dass sich die Beiden beeilen würden, denn er konnte es kaum noch erwarten, endlich den Hügel hinunterzusausen.
„Was machst du da?“
Die Stimme seiner kleinen Schwester riss ihn aus seinen Gedanken.
Er schaute hinüber zu dem kahlen, schneebedeckten Apfelbaum und zwinkerte. Dort stand die siebenjährige Lisa, eingepackt in einen warmen Anzug, und trampelte Abdrücke in den Schnee.
„Auf Mama und Papa warten“, antwortete Bernd gelangweilt und malte ein Geschenk unter den Tannenbaum auf der Motorhaube.
„Glaubst du, der Nikolaus bringt uns heute Abend etwas schönes?“, fragte Lisa weiter. Ihre Stimme klang dabei ein klein wenig ängstlich.
Bernd seufzte. So wie alle Kinder in seiner Klasse wusste er längst, dass es den Nikolaus nicht gab. So wenig wie den Osterhasen.
Mama und Papa brachten die Süßigkeiten!
Und an Weihnachten waren sie es, welche die Geschenke unter den Baum legten. Nicht das Christkind.
„Es gibt keinen Nikolaus“, erwiderte Bernd, ohne seine Schwester anzuschauen.
Lisa hingegen glaubte fest an den Mann mit der roten Mütze und dem weißen Bart. Immerhin hatte sie ihn schon im Supermarkt gesehen und von ihm eine Mandarine bekommen. Als Vorschuss, sozusagen.
Und jetzt behauptete ihr großer Bruder, es gäbe ihn nicht.
Unglaublich!
„Doch“, schrie sie darum wütend, „es gibt ihn wohl.“
„Nein.“
„Doch.“
„Nein.“
„Doch.“
Lisas Gesicht war schon ganz rot vor Zorn, und sie stampfte mit dem Fuß auf. Tränen liefen über ihre Wangen.
„Wenn es ihn gibt“, erwiderte Bernd gelassen, „dann fang ihn doch und zeig ihn mir. Dann glaube ich es auch.“
Damit ging er hinein ins Haus, zog die Jacke und die Stiefel aus und lief hinauf in sein Zimmer, um ein wenig zu lesen.
Später fuhr die gesamte Familie zum Rodelberg.
Während der ganzen Fahrt dachte Lisa darüber nach, was Bernd gesagt hatte. Sie wusste, dass es den Nikolaus gab. Sie wusste es ganz genau. Aber ihr doofer Bruder wollte es nicht glauben. Also musste sie sich etwas einfallen lassen, um den Nikolaus zu fangen.
Auf dem Heimweg, etwas nass von dem Schnee, in den sie mehrmals gefallen war, und vor der kleinen Autoheizung sitzend, hatte sie endlich eine Idee.
Wieder zu Hause ging Bernd hinauf in das große Bad, um eine heiße Dusche zu nehmen. Auch er war mehrmals in den Schnee gefallen und hatte zudem an einer riesigen Schneeballschlacht teilgenommen. Mutter kochte währenddessen eine heiße Suppe und der Vater fuhr noch einmal in die Stadt, um etwas zu besorgen. So sagte er jedenfalls. In Wirklichkeit wollte er jedoch nur ein paar Meter fahren, dann in ein langes, rotes Nikolauskostüm schlüpfen und zum Haus zurückkehren, um Lisa und auch Bernd zu überraschen. Es war das erste mal, dass er so etwas tat, und er freute sich bereits auf die großen Augen seiner Kinder.
Die kleine Lisa wartete, bis das Auto die Auffahrt hinunter und um die Ecke verschwunden war. Dann lief sie vor die Tür und zerrte und zog an dem Rost, welches direkt vor der Tür lag und ein tiefes Loch mit Kellerfenster verdeckte. Das Mädchen wusste, dass dieses Rost etwas locker war, denn schon öfters hatte sie es gemeinsam mit ihrer Freundin entfernt, um dann durch das Kellerfenster hindurch wieder ins Haus zu gelangen. Sehr zur Überraschung ihrer Mutter, die bis zu jenem Abend nicht gewusst hatte, wie ihre Tochter in die Wohnung kam, ohne die Haustür zu benutzen.
Lisa zerrte also den Rost zur Seite und legte den Fußabstreifer über die Öffnung. Die Matte war etwas größer als das Loch, sodass es nicht gesehen werden konnte.
Still vor sich hin lachend ging Lisa zurück in die Wohnung. Der Nikolaus würde kommen, klingeln und dann... Ja, dann konnte Bernd nicht mehr behaupten, es gäbe ihn nicht.
Inzwischen war die Suppe fertig, und zu dritt setzten sie sich an den Küchentisch.
„Bald“, so verkündete die Mutter mit leiser Stimme während des Essens, „werden wir Besuch bekommen. Ich glaube, ich habe den Nikolaus gesehen.“
Lisas Augen leuchteten, während Bernd wieder seufzte. Aber er wagte es nicht, seiner Mutter zu widersprechen.
Lisa hatte sich gerade eine Nudel in den Mund geschoben, als es klingelte. Das musste der Nikolaus sein. Als kurz darauf auch noch ein lautes Poltern zu hören war, gefolgt von einem Schrei, wusste sie sie es genau – die Falle war zugeschnappt!
Mama und Bernd, die von alledem nichts ahnten, liefen erschrocken durch den Flur und rissen die Haustür auf. Ein Loch im Boden gähnte ihnen entgegen. Aber das war noch nicht alles, denn in dem Loch lag etwas Rotes und zappelte.
„Der Nikolaus, der Nikolaus“, jubelte Lisa. „Siehst du, ich habe ihn gefangen. Ich ganz allein. Jetzt musst du es mir glauben.“
Sie schaute Bernd triumphierend an und tanzte durch den Hausflur, während ihre Mutter versuchte, den armen Papa aus dem Loch zu befreien.
Arg zerschunden und mit zerrissenen Kleidern stand dieser schließlich in der Küche. Die Geschenke waren zerbrochen, und auch die Süßigkeiten durch den Schnee und den Sturz zerstört.
So kam es, dass an diesem Nikoalustag die Kinder der Familie Schneider leer ausgingen. Keine Geschenke, keine Süßigkeiten.
Seit dieser Zeit weiß Lisa jedoch, dass es keinen Nikolaus gibt!
Ende
<- Zurück zu:
+ Kommentar verfassen
Aus Sicherheitsgründen werden Kommentare erst nach Prüfung freigeschaltet und sind somit unmittelbar nach dem Abschicken nicht sichtbar.
Noch keine Kommentare