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Die verblödete Generation
Konflikte zwischen Generationen gibt es vermutlich, seit der Mensch von den Bäumen kam und so etwas wie Intelligenz entwickelte. Schon immer schaut die Generation besorgt auf jene, die ihnen nachfolgen sollen. Die Kultur wandelt sich, Regeln verlieren ihre Gültigkeit, das Leben wird offener, freier und moderner.
Blicke ich, der ich diesem Monat die große Vier erreiche, also auf die nachfolgenden Generationen, treibt mich bei meiner Sorge nur eben jener Konflikt um?
Ich fürchte nicht, denn anders als früher verblödet unsere Gesellschaft nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv.
In den Medien wird gerne von den »bildungsfernen Schichten« gesprochen. In der Regel sind damit Hartz IV-Familien gemeint, in denen Kindern ohne Mittel aufwachsen und meist in Haupt- oder Sonderschulen unterwegs sind, da auch von Seiten der Eltern keinerlei Angebote gemacht werden. RTL ersetzt jegliche Freizeitaktivitäten, Kultur wird durch Dschungelcamp, Scripted Reality und Billig-Fiction ersetzt.
Nun habe ich für diesen Artikel keine Statistiken bemüht und weiß daher nicht, wie viele solcher Familien es gibt.
Oder wie viele »bildungsferne« Migranten in Deutschland leben; meist moslemische Migranten, die – aus angenommener Chancenlosigkeit – keinen Sinn in guter Bildung sehen oder sich in Parallelgesellschaften bewegen, in denen noch heute archaische Vorstellungen und Lebensweisen gepflegt werden. Was dazu führt, dass etwa Frauen zu Hause sitzen, kaum unsere Sprache sprechen und mit niemandem außerhalb ihres Kreises Umgang pflegen (dürfen).
Zwar ist es traurig, dass es diese »bildungsfernen Schichten« überhaupt gibt; in einem Land wie dem unsrigen, modern, aufgeklärt, mit Schulpflicht und einer Kultur, auf die wir stolz sein können. Aber was mich wirklich bewegt ist die Frage, wie es bei bildungsnäheren Schichten aussieht.
Nicht gut, wie ich traurig konstatieren muss! Dazu folgendes Beispiel:
In der Straßenbahn Wörth – Karlsruhe sitzen mir zwei Studenten gegenüber. Eine Weile unterhielten sie sich über eine Klausur, ehe einer von ihnen folgende Frage aufbrachte:
»Liegt Mainz in Rheinland Pfalz oder Hessen?«
Nun ist es schon traurig genug, dass ein Student nicht jedes Bundesland inklusive Landeshauptstadt benennen kann. Schließlich gibt es hiervon lediglich 16 Stück. Aber zumindest seine nächste Umgebung sollte man kennen.
Das Drama entfaltete sich in den folgenden Minuten zu epischer Breite, denn sein Kommilitone stellte fest:
»Das ist eine gute Frage. Soweit ich weiß, liegt Mainz in Rheinhessen. Aber zu welchem Bundesland gehört das?«
Zugegeben, der Name Rheinhessen verwirrt, denn heute gehört diese Region zu Rheinland Pfalz. Und ja, Mainz ist ein Zipfel, eine Grenze dieser Region. Dennoch sollte man als Student und somit nach einigen Jahren Geschichtsunterricht wissen, wie sich die Verhältnisse in unserem Land im Laufe der letzten ein, zwei Jahrhunderte änderten.
Die beiden junger Männer – kein Migrationshintergrund, gut gekleidet, Notebooks – beschlossen nach eingehender, teils abenteuerlicher Debatte, dass Mainz wohl in Hessen läge.
An dieser Stelle griff ich ein und erklärte, dass Mainz die Hauptstadt von Rheinland Pfalz sei.
Nun sollte man annehmen, dass damit alles gesagt ist.
Weit gefehlt, denn nun hatte ich beide gegen mich. Das, so erklärte mir einer kühl, wüssten sie!
A-ha!
Einen Moment lang hoffte ich darauf, dass dies ein Scherz sein soll. Aber nein, sie meinten es bitter ernst!
Denn das, so erklärte er mir weiter, habe mit ihrer ursprünglichen Frage nichts zu tun. Mehr noch, er fragte, ob ich mit Sicherheit sagen könne, wo denn nun Mainz läge.
Ich konnte nicht nur, sonder tat es in aller Ausführlichkeit. Lediglich den Hinweis auf die rechtsrheinischen Gebiete wie Kastel verkniff ich mir, da diese zu Wiesbaden und damit tatsächlich zu Hessen gehören und lediglich den Traditionsnamen tragen, ohne aber Mainz zu sein.
Mir schien, eine solche Erklärung würde die beiden Studenten überfordern, waren sie auch so ganz froh, als meine Erläuterungen endeten.
Dieses Beispiel zeigt zwei Dinge. Zum einen mangelte es beiden an Wissen, zum anderen an der Fähigkeit zum logischen Denken. Denn dass die Hauptstadt eines Bundeslandes nicht in Nachbarbundesland liegt, sollte nun wahrlich einleuchten.
Tat es in diesem Fall aber nicht.
Wären es grölende, egoistische und unerzogene Hauptschüler gewesen, wie sie dieser Tage ständig anzutreffen sind, ich hätte mich nicht gewundert. Aber Studenten mit Abitur …?
Wie kann es zu solchen Fehlleistungen kommen?
An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich selbst Kinder habe; zwei an der Zahl. Mein Sohn studiert in Mainz, meine Tochter besucht nach einem Jahr Babypause das Gymnasium. Und bei ihr beobachte ich exakt die Strukturen, welche meine vorangegangene Frage beantworten.
Sicher, sie ist gut in dem, was man in der Schule von ihr verlangt. Das ist überwiegend stumpfes Auswendiglernen und Niederschreiben; auf Allgemeinbildung, Assoziationen und freies Denken wird kaum Wert gelegt.
Zuhause pflegt sie zudem eine Art Monokultur; die von ihr bevorzugten Lieder aus dem Rock-Bereich, hin und wieder eine seichte Vampir-Romanze in Buchform oder irgendwelche nicht sonderlich anspruchsvollen Serien im TV.
Keine Nachrichten.
Keine echten Wissenssendungen.
Dafür jedoch Facebook per iPhone viele Stunden am Tag.
Als die arabische Welt ob der »Unschuld der Muslime« brannte, bekam sie nicht mal mit, dass da etwas los ist.
Und wir sind nicht bildungsfern, im Gegenteil. Es liegt schlicht daran, dass sie kein Interesse an ernsthaften Themen hat.
Und so wie ihr geht es unzähligen Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Neben der Schule oder der Ausbildung pflegen sie seichte Unterhaltung ohne ernsthafte Inhalte. Sich selbst die notwendige Allgemeinbildung anzueignen, Museen zu besuchen, Klassik zu hören und die Werke wichtiger Autoren zu lesen, gilt nicht nur als uninteressant, sondern fast schon als anstößig. Entsprechende Vorschläge werden – wenn man Glück hat – milde belächelt. So, als würde man bereits an Alterssenilität leiden.
Jene, die uns nachfolgen, glauben, sie seien informiert. Aber das ist ein Trugschluss, sie sind es nicht. Sie sind unwissend, ohne echte Kultur und ignorant dem Zeitgeschehen außerhalb ihrer kleinen Welt gegenüber.
Das Privatfernsehen vermittelt das Gefühl, in einer hermetisch abgeschlossenen Welt über alles Notwendige zu informieren. Es macht seine eigenen Nachrichten und vermittelt sie als wichtig in seichten Boulevard-Sendungen. Tatsächliche News werden ein- oder zweimal am Tag in reißerischer Form präsentiert und selbst hier finden sich nicht selten Boulevard-Anteile. So kommt es, dass viele Jugendliche oder junge Erwachsene zwar wissen, dass sich ein Sänger während seines Konzerts auf die Bühne erbrach, von Romneys 47%-Aussage aber nie hörten.
Garniert wird das Programm mit Scripted Reality oder Serien, deren Inhalte von den Sendern gleichfalls als wichtige Nachrichten verkauft werden.
Schon vor einiger Zeit lehnte ein Verlag ein Manuskript von mir ab mit der Begründung, es sei »für das durchschnittliche, durch das Privatfernsehen gebildete Publikum zu anspruchsvoll«.
Es ist traurig, wenn ganze Generationen in unserem Land durch RTL oder SAT1 gebildet werden, nicht etwas durch die Schule, anspruchsvolle Literatur und meinetwegen auch echte Wissenssendungen im TV.
Nun wäre es aber falsch, im Jahr 2012 dem Privatfernsehen allein die Schuld für die Verdummung unsere Bevölkerung in die Schuhe zu schieben. Einen weiteren, nicht zu verachtenden Anteil daran tragen Soziale Netzwerke.
In ihnen kommunizieren besagte Generationen auf einem Niveau, wie es teils niedriger kaum sein kann. Und auch hier sind die tatsächlich wichtigen Dinge kaum der Rede wert – es geht um Beziehungen, Freizeitaktivitäten, Simpel-Spielchen oder persönliche Probleme, die nicht selten oberflächlich oder gar hämisch kommentiert werden. Gewürzt mit bizarren Sprüchen und Weisheiten runden sie das Bild einer belanglosen, aber zeitintensiven Beschäftigung ab, die kaum geistige Nahrung bietet, dafür aber auf niedrigem Level unterhält und somit für ein Wohlgefühl sorgt. Soziale Netzwerke mit ihren ständigen Statusmeldungen und dem Wir-Gefühl, das eine permanente Aufmerksamkeit verlangt, nehmen derart viel Raum ein, dass für ernsthafte Beschäftigungen keine Zeit mehr bleibt.
Es genügt, um nebenbei eine vermeintliche Doku (Scripted) oder eine Soap auf den Privatsendern zu verfolgen und diese Inhalte ggfs. in die Konversation einfließen zu lassen.
Die Tagesschau aber würde schon ein zu hohes Maß an Aufmerksamkeit erfordern. Zumal deren Themen ohnehin nicht in den Unterhaltungen besagter Jugendlicher oder jungen Erwachsenen eine Rolle spielen.
Ein Like bei einem wichtigen Thema oder ein Shitstorm, wie er häufiger mal ausgerufen wird, können dabei höchstens dem Herdentrieb zugeordnet werden, nicht echtem Interesse. Fragt man Einzelne nach den Inhalten, erlebt man nicht selten ernüchternde Ergebnisse.
Traurig in diesem Zusammenhang ist auch, dass es den jungen Generationen überhaupt nichts ausmacht, unwissend zu sein. Es ist ihnen nicht wichtig, informiert zu sein; jene, die es sind, gelten nicht selten als Sonderlinge. Der »Mut zur Lücke« wurde inzwischen zu einer Selbstverständlichkeit, wobei die Lücke die Größe des Marianengrabens angenommen hat.
Wie aber wollen Menschen mit dieser mangelhaften Bildung etwa an politischen Prozessen wie Wahlen teilnehmen?
Wie kann man auf eine Willensbildung vertrauen, wenn viele der Wähler nicht einmal wissen, was sie da tun!
Wenn sie nicht begreifen, was sie da wählen, wie sich der Bundestag, der Bundesrat oder die Bundesversammlung zusammensetzen?
Wenn sie glauben, sie würden den Kanzler oder gar den Bundespräsidenten wählen?
Wenn sie die Hauptstadt von Rheinland Pfalz in Hessen verorten?
Ob all die Menschen, die in den USA und in Europa auf die Straße gehen wirklich wissen, gegen was sie protestieren? Kennen sie die Mechanismen hinter dem, was sie anklagen?
Ich bezweifele es. Sicherlich, es wird einige geben, die tatsächlich durchblicken. Aber die meisten werden meiner Meinung nach von Schlagworten angezogen; von leicht verdaulichen Phrasen, die man in 160 Zeichen packen kann.
Eine Basis für echte Veränderungen ist das nicht.
Wenn es nicht eine Rückkehr zu Wissen und Kultur jenseits von Social Media und Privat-TV gibt, werden wir in absehbarer Zeit eine Gesellschaft halbgebildeter Ignoranten sein, unfähig, uns zu entwickeln und den Erfordernissen gerecht zu werden. Und nein, das ist keine Übertreibung, denn schon heute bleiben Lehrstellen unbesetzt, weil es einfach keine geeigneten Bewerber gibt.
Wenn Ausbildungsbetriebe in einem Stapel Bewerbungen keine finden, die fehlerfrei ist, wenn Bewerber nicht in der Lage sind, klar zu denken, über Allgemeinbildung verfügen und ihr Abschluss nicht den Wert besitzt, den er besitzen sollte, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn der Fachkräftemangel in Deutschland zunehmen problematisch wird.
Was es für unsere Kultur bedeutet, darüber sollten wir an dieser Stelle gar nicht erst nachdenken …
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