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Vor 40 Jahren - Gustav Heinemann wird Bundespräsident

Donnerstag, 5. März 2009

Vor 40 Jahren, am 5. März 1969, wurde Gustav Heinemann zum Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Eine Karriere, mit der er selbst vermutlich nicht so richtig gerechnet hatte. Denn politisch war er alles andere als unumstritten. Ehemals CDU, ehemals GVP und nun SPD. Gut, er war Bundesjustizminister und saß im Vorstand der SPD. Doch es lagen auch Jahre der politischen Isolation hinter ihm. 

Ich möchte diesen Blogbeitrag jedoch nicht nutzen, um das Leben von Gustav Heinemann nachzuzeichnen, sondern um auf sein Anliegen einzugehen. Ein Anliegen, dass heute nicht aktueller sein könnte als am 5. März 1969.

Ihm ging es um den mündigen Bürger und darum, wie der Staat, wie das Grundgesetz zu achten sei.

Von Anfang an setzte sich Heinemann als "Bürgerpräsident" dafür ein, dass der einfache Bürger auf der Straße in den politischen Prozess eingebunden wird. Er wollte, dass der Bürger seine Rolle in einer Demokratie begreift, sie mündig annimmt und seine sich daraus ergebende Verpflichtung akzeptiert. Zudem verwahrte er sich dagegen, dass das Grundgesetz mit Mitteln geschützt würde, die eben diesem Grundgesetz zuwider liefen.

Was ist 40 Jahre nach seiner Wahl und 35 Jahre nach seinem Abgang von der politischen Bühne von seinen Vorstellungen geblieben?

Nichts. Müsste Heinemann sehen, in welche Richtung sich Deutschland entwickelt hat, er würde Tränen der Verzweiflung vergießen, dessen bin ich mir sicher. 

Statt sich zu mündigen Bürgern zu entwickeln, haben sich die Menschen in diesem Land in Wackeldackel verwandelt, in träge, desinteressierte Bewohner einer von einer elitäreren Politikerkaste bereitwillig regierten Republik. Die Parteienlandschaft ist mit den beiden großen Fraktionen CDU und SPD zu einem bunten Mischmasch verwachsen, in dem es an klaren Profilen mangelt. 

In diesem Mix versuchen die kleinen Parteien ihr politisches Überleben zu sichern, in dem sie sich sklavisch an die Großen binden, ohne jedoch ihre Ziele und Vorstellungen wirklich verwirklichen zu können. Auf diese Weise sehen sich die Wähler aller Parteien betrogen, was zu dem häufig zu hörenden Satz führt, dass man nicht mehr zur Wahl ginge -- es würde ohnehin nichts ändern.

Nun könnte man sich bequem zurücklehnen und den Politikern die Schuld an der Verdrossenheit der Bürger geben. Eine logische Reaktion auf die Zustände, an denen der vermeintlich kleine Mann auf der Straße ohnehin nichts ändern kann.

Aber nein, so leicht können wir es uns eben nicht machen. Schließlich leben wir formal noch immer in einer Demokratie und alle Macht geht vom Volke aus. Wir, die Bürger, jeder Einzelne von uns, hat die Macht, diese Missstände zu beseitigen.

Wenn er nur wollte.

Aber es ist sehr viel bequemer, sich regieren zu lassen. Das Hirn abzuschalten, "die da oben" machen zu lassen und auf diese Weise nicht nur von jeder Verantwortung entbunden zu sein, sondern auch ein Objekt des Zorns zu haben, wenn die Dinge schlecht laufen. Schließlich kann man ja nichts dafür, es waren "die da oben".

Die Politiker quer durch alle Parteien wissen dies. Sie können sich recht entspannt zurücklehnen und das Volk mit nichtssagenden, aber wohl klingenden Gesetzen befriedigen, während sie im Hintergrund an ihrer Alleinherrschaft basteln. Die großen Probleme werden vermieden, im Kleinen werden werbewirksame Gesetze erlassen, die den Wackeldackel dazu bringen, das Kreuz an der richtigen Stelle zu setzen. Nur so ist es zu erklären, dass teils eben jene Versager wieder im Kabinett vertreten sind, die1998 abgewählt wurden. Dort beweisen sie zwar erneut ihre Inkompetenz, aber durch geschickt platzierte Auftritte und Versprechen im Wahljahr wird der Wackeldackel da draußen schon richtig entscheiden. Aber selbst wenn die Abwahl droht - zum einen sind Parteien und Figuren austauschbar, zum anderen winkt eine hohe Rente. Zur Rechenschaft gezogen kann ein Politiker für all seine Fehlentscheidungen ohnehin nicht, denn dies ist gesetzlich geregelt. Man hat sich nur seinem Gewissen zu verantworten, und dieses ist bei Politikern moderner Machart kaum vorhanden. Wie sonst wären Wahllügen zu erklären, wie sonst die Gesetze, die jenen, die ohnehin am Rande der sozialen Leiter stehen, noch ein bisschen mehr niederknüppeln? Justitia mag blind sein gegenüber Stand und Ansehen der Person, die vor dem Richter steht. Die Politiker sind noch blinder für das Leid und Elend im Volk - auch wenn sie nicht müde werden, dies zu verneinen. 

Auch hier läuft die heutige Politik völlig dem entgegen, was Heinemann einst wollte. Denn er setzte sich für die Benachteiligten ein, lenkte die Aufmerksamkeit auf die Armen und sozial Schwachen. Er forderte von den Menschen im Land, hinzuschauen - so, wie er es auch von den Politikern forderte. Was daraus wurde, zeigt sich deutlich an Hartz 4.

Der Schutz des Grundgesetzes, von mir eingangs erwähnt, wird heute mit Mitteln gewährleistet, die denen eines modernen Überwachungsstaates in nichts nachstehen. Geheimdienste, die mit polizeilicher Gewalt ausgestattet sein sollen, von der Regierung entwickelte Trojaner und Überwachung auch von unbeteiligten Personen, nur weil sie eventuell Kontakt zu einem Verdächtigen haben. Vorratsdatenspeicherung, Bewegungsprofile und Hausdurchsuchungen bei jenen, die gegen Globalisierung und Ausbeutung auf die Straße treten. Wir glaubten die DDR 1990 überwunden, die Methoden der Staatssicherheit wurden jedoch übernommen und verfeinert. Es gibt eine von der Politik erwünschte Meinung, und diese allein ist richtig. Andersdenkende sind rechts- oder linksradikal, man kann und muss sie observieren und ins gesellschaftliche wie politische Abseits schieben.

Durch eine Gleichschaltung der Medien wird die richtige Meinung in jeden Haushalt, in jeden Wagen transportiert, und dies notfalls 24 Stunden am Tag. ARD und ZDF sind auf Linie, während die Privaten an der Teilnahmslosigkeit, Ahnungslosigkeit und Ignoranz ihrer Zuschauer arbeiten. "Der durchschnittliche, durch das Privatfernsehen gebildete" Mensch durchschaut nicht die groß angelegten Verschwörungen, denen wir alle ausgesetzt sind. Er durchschaut nicht die perfiden Pläne der Regierung, den Menschen unter dem fadenscheinigen Vorwand einer angeblich existenten Terrorgefahr einen Überwachungsstaat aufzuzwingen. Er begreift nicht die Mechanismen, mittels denen er wie eine Marionette durch die Legislaturperiode einer Regierung geführt wird. Er will es nicht verstehen, es interessiert ihn nicht, denn der C-Promi, der im Urwald Maden oder Schaben ist, unterhält ihn bedeutend mehr. Die Privaten als willige Handlanger einer Regierung, die vor allem durch Brot und Spiele die Menschen bei der Stange hält.

Die letzte Bastion, die noch in der Lage ist, demokratische Grundwerte zu verteidigen, ist das Internet. Hier herrschen extreme und gemäßigte Meinungen, die sich einander auf wunderbare Weise ergänzen und so zu einem großen Ganzen führen. Sicher, die meisten Menschen, die das Web nutzen, sind ganz einfache Bürger. Menschen, die nicht studiert haben, vielleicht auch nicht in der Lage sind, weltpolitische Zusammenhänge zu begreifen. Es ist das Volk, und eben dieses drückt seinen Willen, drückt seine Meinung aus. Demokratie bedeutet nicht, Regierung durch eine vermeintlich allwissende Elite, sondern eben Regierung durch das Volk. Sie müssten die Arbeitgeber der Regierung sein, die Chefs, die den Bundestag oder Bundesrat bei Bedarf auf die Finger klopfen. Stattdessen fürchtet das Volk jene, die es gewählt hat, und überlässt ihnen sklavisch die Herrschaft.

Die Zensur des Internets wird indes längst vorbereitet, ist es doch die letzte Gefahrenquelle für die nach Alleinherrschaft strebenden und verlogen Demokratie predigenden Politiker. Kinderpornographie, ein scheußliches Thema, wird nun durch die Provider gesperrt. Ohne Gesetz zwar, aber wer will sich dem widersetzen? Geheime Sperrlisten werden zügig umgesetzt, geht es nach dem Willen der Regierung.

GEHEIME SPERRLISTEN!

Wer sagt uns, dass dort nicht auch Seiten erscheinen, die sich zwar nicht mit Kinderpornographie befassen, dafür aber der Regierung nicht genehm sind? Hoffen wir auf die Provider, die von den Gesetzen der Regierung abhängig sind? Hoffen wir auf die Industrie, die gemeinsam mit der Regierung die Macht im Lande, in der EU und in weiten Teilen der Welt hält? Wenn, dann haben wir auf Sand gebaut, denn von keiner dieser Seiten ist Hilfe zu erwarten. China ist näher als wir glauben und über allem schwebt der Geist der Stasi. 

Gibt es Hoffnung? In diesem Jahr sind Wahlen - können wir auf einen Wechsel hoffen?

Nein.

Es spielt keine Rolle mehr, ob CDU oder SPD den Kanzler stellen, ob es eine rot-grüne Regierung gibt, oder eine Schwarz-Gelbe. Die Veränderungen müssen aus dem Volk kommen und sie müssen so stark sein, dass jede undemokratische Struktur beiseite gefegt wird. Wir haben einen Punkt erreicht, an dem wir bloß mit Wahlen nichts mehr erreichen. Wir müssen uns erheben und den Politikern den tiefen Sinn der Demokratie nahe bringen. Sonst versinken wir tiefer und tiefer in einem Sumpf, der unweigerlich in einer Diktatur endet. In einer Diktatur im Gewand der Demokratie. In einer Diktatur, in der die Oberen Orwell Wirklichkeit werden lassen und in denen die Wahlen wir einst jene in der DDR nichts anderes als eine billige Farce sind.

Das, was Heinemann dereinst im Bezug auf ABC-Waffen forderte, den bürgerlichen Ungehorsam, den müssen wir nun auch im Bezug auf eine Demokratie zeigen, die diesen Namen nicht mehr verdient. Wir müssen zu mündigen Bürgern werden, die nicht sklavisch alle vier Jahre ihr Kreuz setzen und ansonsten erdulden, was uns Berlin diktiert. Denn das meinte Heinemann mit Sicherheit nicht. Nur, allein mir fehlt die Hoffnung, dass sich etwas tut. So lange jeder Brot und Spiele hat, so lange vermeintlich die anderen betroffen sind und die eigene Lethargie größer ist als das erlebte Unrecht, so lange wird sich gar nichts tun. Denn wenn wir Deutsche in einem wirklich gut sind, dann darin, dem Untergang tatenlos zuzusehen. Wir ließen das Kaiserreich zum Teufel gehen, die Weimarer Republik und wir folgten Hitler in den Abgrund. Nun, bald 60 Jahre nach der Gründung, schauen  wir wieder tatenlos zu, wie unsere Republik langsam, schleichend diesmal, zugrunde geht und sich in eine gut getarnte Diktatur verwandelt.

Wollen wir es wirklich so weit kommen lassen?

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