<- Zurück zu: Home

Deutsche Leitkultur?

Sonntag, 28. Dezember 2008

Da ist sie wieder, die Debatte um die Deutsche Leitkultur. Einst von Theo Sommer als Abwandlung von Bassam Tibis "Europäischer Leitkultur" aufgebracht und von Merz aufgegriffen, schien sie ein paar Jahre verschwunden zu sein. Nun ist sie wieder da, kraftvoller als geahnt.

Die CDU will damit Wahlkampf machen, seit 2007 steht sie im Programm der Partei. Die Wellen werden wieder hochschlagen; die Linken wimmern und die Rechten Taschentücher bereitlegen, damit sie sich auf dieses schöne Wort einen runterholen können, ohne die Reichstagsflagge zu besudeln.

Denn eine Deutsche Leitkultur ist vor allem eines - eine Absage an den Multikulturalismus. Und das auch nur zu denken gilt bei SPD und Linkspartei als Sünde, bei den Grünen dürfen das höchstens die Realos. Und die sind ja ohnehin nicht ganz so grün. Eher türkis, würde ich meinen.

Was aber ist denn eigentlich die Leitkultur? Worum geht es in der Debatte? Will die CDU etwa, dass deutsche Kulturträger wie Grass, Heino und Witzigmann morgen die Kultur in Europa und bestimmen, übermorgen dann die der ganzen Welt? Eine Rückkehr zu den Dichtern und Denkern, getreu dem Motto, dass wir keinen King brauchen, denn Goethe schrieb auch sehr gut?

Nope!

Es geht um etwas, das manche Menschen als selbstverständlich ansehen. Nämlich, dass sich Migranten der deutschen Kultur dort anpassen, wo unsere Kultur mit ihrer Kultur kollidiert. Oder, wie es Sommer in der Zeit sehr passend formulierte:

Integration bedeutet zwangsläufig ein gutes Stück Assimilation an die deutsche Leitkultur und deren Kernwerte.

Aber genau damit hapert es. Zum einen, weil sehr viele Migranten ihre eigene Kultur behalten und verbreiten wollen, statt sich jener des Gastlandes - also in diesem Falle Deutschland - anzupassen, zum anderen weil die Politik seit Jahren davor zurückschreckt, genau das einzufordern. Erinnern wir uns an die Debatte zu "Deutsch im Grundgesetz" - da sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Kenan Kolat: "Wir verstehen dieses Vorhaben als Assimilierungsdruck [...]

Ja, genau das ist es aber, was zu geschehen hat. Bin ich Gast in einem Land, möchte ich dort sogar heimisch werden, habe ich mich der Kultur dort anzupassen - nicht die Kultur mir.

Der akut gelebte Multikulturalismus hat fertig. Er kann nicht funktionieren, denn eine Mischung der Kulturen ohne klare Richtung muss zu Problemen führen, da einzelne Aspekte der verschiedenen Kulturen aufeinanderprallen, gegensätzlich sind und so enorme Konflikte auslösen. Man kann nicht gänzlich verschiedene Kulturen in einen Topf werfen und hoffen, dass sie sich alle prächtig verstehen, ohne einzugreifen. Dies hat schon Cohn-Bendit in den frühen Neunzigern erkannt

Die multikulturelle Gesellschaft ist hart, schnell, grausam und wenig solidarisch, sie ist von beträchtlichen sozialen Ungleichgewichten geprägt und kennt Wanderungsgewinner ebenso wie Modernisierungsverlierer; sie hat die Tendenz, in eine Vielfalt von Gruppen und Gemeinschaften auseinanderzustreben und ihren Zusammenhalt sowie die Verbindlichkeit ihrer Werte einzubüßen. In der multikulturellen Gesellschaft geht es daher um die Gratwanderung zwischen verbindenden und trennenden Kräften — und eben deswegen ist es so wichtig, daß sie sich Spielregeln gibt.

Diese Spielregeln gab es aber nie, darum hat der Multikulturalismus ausgedient. Er muss in einem Einwanderungsland wie Deutschland durch etwas ersetzt werden, das Zuwanderern klare Regeln an die Hand gibt. Eine Deutsche Leitkultur kann ein solches Regelwerk sein. Vor allem dann, wenn die Einhaltung der Regeln verbindlich gefordert wird. Und dies auf allen Bereichen; auch dort, wo es eventuell schmerzt. Erinnern wir uns an den Karikaturenstreit, so haben wir bereits ein solches Thema. Und dies ist mit Sicherheit nicht der einzige Punkt, an dem Kulturen und Ansichten kollidieren.

Natürlich hat das etwas von "Basta", um Schröder zu zitieren. Und bestimmt gefällt dies nicht jedem. Es ist bequemer für viele, wie es im Moment läuft und für Träumer, die eine Verwirklichung des Multikulturalismus sehen, ist eine Leitkultur ein Schlag ins Gesicht. Aber dürfen wir von Menschen, die aus verschiedenen Gründen in unser Land kommen nicht verlangen, dass sie unsere Kultur als die ihre akzeptieren? Müssen wir nicht klar fordern dürfen, dass sie sich an unsere demokratischen, freiheitlichen Grundwerte zu halten haben und ihre eigene Kultur dort zurücksteht, wo sie mit der unsrigen nicht vereinbar ist?

Ich denke, dieses Recht haben wir. Auch wenn diese Debatte einst als "Steilvorlage für die Neue Rechte" gesehen wurde. Ich sehe das nicht so, auch wenn NPD und Co. bereits hechelnd mit den Hufen scharren und orgiastische Gefühle bei der Vorstellung einer Deutschen Leitkultur empfinden dürften. Selbst die größten Verfechter des Multikulturalismus müssten inzwischen in der Realität angekommen sein, in der Cohn-Bendit - immerhin ein Grüner der ersten Stunde, Sponti und Realo - lange vor ihnen war.

Schaut man über den großen Teich, findet man im größten Einwanderungsland übrigens auch keinen Multikulturalismus. Denn der Schmelztiegel USA setzt darauf, dass sich alle Zuwanderer einem großen Ganzen anpassen. Kommt man hin, hat man sich so weit anzupassen, sich so weit assimilieren zu lassen, bis es passt.

Lange Rede, kurzer Sinn - ja zur Deutschen Leitkultur, denn wir brauchen sie!

<- Zurück zu: Home

+ Kommentar verfassen

Noch keine Kommentare