<- Zurück zu: Home

Staatsschutz oder Staatsterror?

Donnerstag, 30. August 2007

Ein Wissenschaftler sitzt in Haft, weil er in seinen Schriften einen international geläufigen Begriff nutzt, der auch in Terror-Kreisen verwendet wird.

Das ist der harte Fakt. Kritische Wissenschaft soll kriminalisiert werden, man will die Weitergabe von Wissen und Informationen genau überwachen. Dies sagt Professor Häußermann von der Humboldt-Universität in Berlin. Dies sei seit den Veränderungen so, die 2001 eingesetzt hätten. Häußermann warnt gar Bibliotheksbesucher, sie könnten ebenfalls bald Verdächtige sein. Und das geht schnell. Begriffe wie Gentrification sind in der Wissenschaft Standard und werden in vielen Ländern benutzt. Doch auch eine Terror-Gruppe nutzt sie, und darum muss nun ein Wissenschaftler, der das Wort in seinen Schriften benutzt, auch ein Terrorist sein. Das ist natürlich Quatsch, passt aber gut in das Bild, das sich seit vielen Jahren abzeichnet. Der Staat will mehr und mehr Kontrolle über seine Bürger erlangen. Die Wissenschaft ist stets ein erstes Ziel, wenn es um Unterdrückung und Kontrolle geht. Nun haben wir also den Fall, dass ein Stadtsoziologe in Haft saß (inzwischen ist er auf Kaution raus, die Anklage läuft weiter). Vorgeblich, weil er ein linker Terrorist ist. Aber was steckt wirklich dahinter? Wurde er deswegen ausgewählt, weil er sich gegen die Gentrification stark macht; also dagegen, dass Stadtteile veredelt werden, damit die Reichen die Armen verdrängen können? Wurde er aufgrund seiner Geisteshaltung verhaftet, oder auch einfach nur, um ein Exempel zu statuieren?

 

Noch wichtiger aber ist - was bedeutet das für uns? Müssen wir uns zurückhalten in unseren Meinungen, in unseren Schriften und Grafiken? Wann wird man als Extremist angesehen? Laut dem Bericht des Verfassungsschutzes kennzeichnet einen Extremisten, dass er die Maßnahmen der Regierung als Bespitzelung auffasst, als Weg in den Überwachungsstaat. Es fällt angesichts von Postüberwachung wie in Heiligendamm, dem Verhaften des Wissenschaftlers und stets neuen Vorschlägen zur Überwachung schwer, etwas anderes zu glauben. Wir befinden uns auf dem Weg zum Überwachungsstaat, auch wenn manche Politiker nicht müde werden, das Gegenteil zu behaupten. Der Staat ist dabei, Meinungen mehr und mehr zu zensieren und so ein Bild vom Großen Bruder durchzusetzen, der es ja nur gut mit seinen Bürgern meint. Nur die Kriminellen werden überwacht und bestraft, nur die bösen Terroristen. Aber wie böse ist denn ein Wissenschaftler, dessen Verbrechen es ist, sich gegen die Macht des Geldes und die Verdrängung von Armen aus "veredelten" Stadtbezirken auszusprechen? Und wer in seinem Umfeld, welche Studenten, Freunden, Verwandte und Bekannte stehen noch auf der Liste der Staatsschützer und müssen mit einer Verhaftung rechnen?

 

Wir stehen an der Schwelle zum nächsten dunklen Kapitel in unserer Geschichte. Und wieder sagen sich viele, dass es nur die Anderen trifft, nur die, die es verdient haben. Wir nehmen bereitwillig das Bild "der Bösen" und nicken, wenn sie kontrolliert und überwacht werden. So lange, bis es uns trifft. So lange, bis wir zu den "Bösen" zählen und plötzlich verhaftet werden, weil unsere Meinungen, unsere Forschungen, unsere Veröffentlichungen terroristischer Natur sind. Ein Zitat aus "Silent Running" von "Mike And The Mechanics" trifft es sehr gut: Don't believe the church and state and everything they tell you. Man kann einem Staat, der seine Bürger belügt und überwachen will, nicht mehr trauen. Man kann einem Staat, der gefälschte Mails verschicken will, um damit dem Bundestrojaner auf den Rechnern von Bürgern zu installieren, nicht trauen. Man darf einem Staat nicht trauen, der Grundrechte verletzen und die Verfassung ändern will, um noch mehr Kontrolle auszuüben. Dieser Staat befindet sich auf dem Weg aus der Demokratie hinaus. Das haben die letzten Wahlen gezeigt, das zeigen die Vorschläge von Schäuble und anderen Politikern.

Klar ist aber auch eines - wir dürfen nicht schweigen und tatenlos zusehen. Wir müssen die Missstände anprangern, immer und immer wieder. So lange wir eine Stimme haben, so lange müssen wir sie auch nutzen.

 

Vor der zunehmenden Überwachung schützen kann man sich einigermaßen durch ein paar einfache Mittel. Aber auch sie bieten keinen absoluten Schutz.

  • Ubuntu statt Windows installieren. Denn Ubuntu wurde anders als Windows und auch anders als SuSE nicht unter Beteiligung der NSA entwickelt.
  • Firefox und Thunderbird statt IE und Outlook/ Outlook Express nutzen. Mozialla-Software gilt als sicherer gegen Eindringlinge.
  • Im Mailprogramm die Vorschau der Nachrichten so einstellen, dass kein Code ausgeführt wird.
  • Aktuelle Virensoftware und einen Firewall nutzen. Beides gibt es für Privatanwender kostenfrei.
  • Keine Mails von Behörden öffnen. Das Bundes-Innenministerium will durch gefälschte Behördenmails der Polizei den Trojaner auf die Rechner bringen. Wenn eine Behörde etwas will und man nicht auf die Mail reagiert, schreiben sie auch einen Brief.
  • Keine Mails von Unbekannten öffnen, auch wenn sie noch so verlockend sind. Vor allem aber - keinen darin enthaltenen Links folgen. Auch dies soll eine Strategie sein - "Verdächtige" auf eine Webseite locken, die den Trojaner installiert.
  • Nutzen Sie keine Programme, die Daten an Dritte senden, etwa MS Office 2007. Sie haben keine Kontrolle über die Daten.
  • Verschleiern Sie Ihre Spuren im Web, etwa durch Programme wie Tor.
  • Sichern Sie Ihr W-Lan ab, nutzen Sie es nicht unverschlüsselt.
  • Nutzen Sie anonyme Dienste, wenn Sie Ihre Meinung sagen wollen und Angst vor Konsequenzen haben. Anonyme Mails, anonyme Blogs. Anleitungen dazu gibt es im Web.
  • Trauen Sie keinem. Der Staat traut Ihnen auch nicht. Für den Staat ist jeder verdächtig, wie die zunehmende Kontrolle und Bespitzelung zeigt. Die Post ganzer Stadtteile wurde vor Heiligendamm abgefangen und von der Polizei kontrolliert. Wem soll man da noch trauen?

<- Zurück zu: Home

+ Kommentar verfassen

Noch keine Kommentare