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Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus

Samstag, 27. Januar 2007

Am 27. Januar 1945 wurde das KZ Auschwitz von der Roten Armee befreit. Seit 1996 ist der 27. Januar der "Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus".

 

Es sind bereits mehrere Kundgebungen und Veranstaltungen hierzu geplant. Doch auch die NPD will an manchen Orten aufmarschieren. Dies zeigt, dass manche Menschen noch immer nicht begriffen haben, was einst geschah. Oder es nicht begreifen wollen, wie ein Blick so manche Gruppe des Usenet zeigt. Verharmlosungen dieser Zeit bis hin zum Leugnen sind dort leider an der Tagesordnung. Umso wichtiger, ein Zeichen zu setzen.

 

Dazu passt in diesem Zusammenhang sicherlich auch, dass die UN eine Resolution angenommen hat, welche die Leugnung des Holocaust verurteilt. Von den 192 Mitgliedsstaaten wurde diese Resolution von 103 Staaten angenommen, nur der Iran distanzierte sich davon.

 

Die nun folgende Geschichte stand auch in der zweiten Ausgabe meines Mags. Da sie jedoch zu diesem Tag passt, hier für all jene, die das Mag nicht gelesen haben. Weihnachten„Einmal noch, dann haben wir es für dieses Jahr geschafft.“ Die Stimme von Paul Zimmermann klang zufrieden, während er sich umschaute. Der Raum, in dem er sich befand war klein, eng und stickig. Eine große Maschine stand in ihm. Ihr Motor summte. Der seltsame Geruch von Schmieröl und Staub klebte in der Luft. Paul wischte sich über das Gesicht. Der Stoff seiner Kleidung war bereits feucht, denn die Temperaturen lag bei über dreißig Grad. Er hasste es, in diesem überhitzten Schuppen arbeiten zu müssen, während draußen Schnee lag. Kam man raus, erwischte es einen wie ein Hammerschlag. Es gab kaum etwas Schlimmeres in dieser Jahreszeit als der harte Wechsel der Temperaturen.

„Ja, du hast es gut. Über die Feiertage frei. Fährst du nach Hause? Oder bleibst du hier und feierst mit denen, die keinen Urlaub bekommen haben?“

Pauls Freund, Hans Weber, klang ein klein wenig neidisch, während er ein Fass zu der Maschine rollte, es aufrichtete und an die Leitungen anschloss. Auch auf seiner Stirn glänzte der Schweiß.

„Ich fahre nach Hause; was denkst du denn? Meine Frau erwartet das zweite Kind und die kleine Maria wartet sehnsüchtig auf ihren Vater. Meinst du, ich würde sie enttäuschen? Ich habe beide seit vier Monaten nicht mehr gesehen. Hier kommt man ja nicht so oft weg, wie man es gerne hätte.“ Paul Zimmermann schaute durch eine Luke in den angrenzenden Raum. Was er sah, stimmte ihn zufrieden. „Es ist das Fest der Liebe. Das sollte man einfach mit seiner Familie verbringen. Der Baum, die Geschenke und das Essen. Meine Frau bereitet den besten Braten zu, den du je gegessen hast. Das garantiere ich dir. Nun ja, wenn sie noch einen bekommen hat. Sie kauft einfach zu spät ein.“

Weber grinste. „Hoffentlich hat der Koch hier wenigstens gelernt, wie man Braten macht. Letztes Jahr hätte man ihn gleich dem Abfall überlassen können. Ach ja, Abfall – wie sieht es denn mit unserem Müll aus?“

Zimmermann schaute erneut durch die Luke. „Noch nicht ganz voll. Dauert noch ein bisschen. Warten wir also noch einen Moment. Nicht, dass wir die Anlage heute zweimal fahren müssen. Sonst bekommen wir wieder eine Predigt gehalten.“

„Du weißt, dass du ein verdammtes Glück hast. Mit deiner Frau und Maria, meine ich“, erklärte Weber, während er sich auf einen Hocker setzte und wartete. „An Tagen wie diesen wünschte ich mir, ebenfalls verheiratet zu sein. Oder wenigstens eine Freundin zu haben. Aber Clara ließ mich wegen eines anderen sitzen und seitdem ...“

Paul verdrehte die Augen. „Das ist jetzt drei Jahre her. Es wird Zeit, dass du dir eine andere suchst. Mensch, Hans – andere Mütter haben auch schöne Töchter. Wenn du dich nicht beeilst, sind sie alle vergeben. Dann bleiben nur noch die Schabracken. So wie die Erna aus der Registratur. Stelle dir mal vor, die müsstest du zum Tanz ausführen.“

Weber lachte laut auf. „Eher würde ich in ein Kloster gehen und Enthaltsamkeit schwören. Obwohl sie ja ein goldenes Herz haben soll. Muss sie auch, sonst hat sie ja nichts zu bieten.“

„Eben“, bekräftigte Paul. „Also, such dir ein Mädel und dann dann nichts wie ran. Deine freiwilligen Sonderdienste mögen dir zwar Ansehen einbringen, aber sicherlich keine Frau. Schau mich an. Lieber ein bisschen weniger Geld in der Tasche und dafür eine Ehefrau, die auf mich wartet. Sie hat mir geschrieben, wie sehr sie sich auf Weihnachten freut. Wir werden Lieder singen, in die Kirche gehen und in der Nacht ...“ Er schwieg versonnen. „Ich liebe meine Frau und vor allem meine Tochter. Sie ist so klein und zart. Wenn sie mich aus ihren großen Augen anschaut – da fühle ich mich wie im Paradies.“ Zum dritten Mal fiel sein Blick durch das schmale Fenster. „Alles klar“, murmelte er dann. „Ist voll. Wir können den Abfall beseitigen.“

Während Hans Weber die Ventile öffnete, drückte Paul einen roten Knopf. Die Maschine begann mit einem lauten Dröhnen ihren Dienst zu verrichten.

„Und? Funktioniert alles?“

Zimmermann nickte. Er hatte seinen Platz wieder eingenommen und schaute durch das Fenster. Dabei dachte er an Maria. Seine kleine Tochter, die nur darauf wartete, dass er nach Hause kam. Er spürte, wie glücklich ihn der Gedanke an ihre Augen, die Haare und an das Lächeln des Mädchens machte. Gedankenverloren summte er Stille Nacht. Sein Blick fiel dabei auf die panisch aufgerissenen Augen einer Neunjährigen, die – verzweifelt an ihre Mutter gepresst – nach Atem rang. Doch das Gas ließ ihr keine Chance.

SS-Leutnant Zimmermann verließ den Maschineraum und zog den Reißverschluss seiner Jacke höher. Es gibt einfach nichts Schlimmeres, als aus der brütenden Hitze ins Freie zu kommen. Er überlegte. Wann verlässt der nächste Zug das KZ in Richtung Heimat?

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