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"Killer"spiele - Phrasendreschers Sternstunden

Dienstag, 16. Januar 2007

Es ist erstaunlich, mit welchen stets wiederkehrenden Phrasen manche Politiker um Erfolg heischen. Nehmen wir zum Beispiel Doktor Günther Beckstein, Innenminister in Bayern. Wann immer man dem Mann ein Mikrofon reicht, drischt er die gleichen Phrase - Killerspiele müssen verboten werden. Er tut dies, weil ihm auf dieser Eben eine kräftiger Applaus sicher ist. Zumindest von jenen, die sich nicht mit der Materie befassen. So geschehen heute auf der Tagung der EU-Innenminster in Dresden. Dort wiederholte er, was man aus München schon oft gehört hat.

Die Frage, die sich dabei einmal mehr aufdrängt: Weiß es dieser arme Mann wirklich nicht besser, oder ist es ein rein politisches Kalkül? Immerhin steht Stoiber vor dem Aus und er als Thronprinz muss sich deutlich aus der Masse dumpf nickender CSU-Politiker abheben. Und wie ginge dies besser, als durch solche populistischen Forderungen, deren Vehemenz an Realsatire grenzt? War er es nicht, der "Killer"spiele auf eine Stufe mit Kinderpornographie gestellt hat?

Was mich dabei stört, ist nicht alleine die Gefahr, dass mir der Staat künftig meine Spiele vorschreiben will. Schlimmer als das ist, dass die eigentlichen Ursachen für die ohne Zweifel schrecklichen Amok-Läufe nicht beachtet werden. Wo ist die Debatte um verfehlte Bildungspolitik, um zu großen Leistungsdruck, Fehler im sozialen Umfeld der Täter? Man findet sie nicht, denn sie wird nicht geführt. Dafür stürzt man sich auf vermeintlich schuldige Spiele, die man nur per Handstreich gesetzlich verbieten müsse, um die Gefahr der Amok-Läufe aus der Welt zu schaffen. Den Wählern ist ein Killerspiel als Ursache sehr viel leichter zu verkaufen als eine verfehlte Politik. Zumal die Politiker für Letzteres selbst den Kopf hinhalten müssen, während man bei einem Sündenbock wie "Killer"spiele sehr viel leichter den Finger ausstrecken kann. Der dort, der ist Schuld. Und wir, wir sind die Guten die dem Grauen das Garaus machen.Ein Vorgehen, das zudem zu funktionieren scheint. Denn laut einer Erhebung von Allensbach zeigte sich eine breite Mehrheit für ein komplettes Verbot von Gewaltdarstellung in TV und Computerspielen. Gefragt wurden dabei 2077 Personen "ab 16 Jahren". Nun kann man, führt man eine solche Untersuchung durch, so oder so vorgehen. Man kann 2077 Leute "ab 16 Jahren" im Alter zwischen 40 und 60, im Alter zwischen 16 und 30 oder im Alter zwischen 50 und 70 (ect.) befragen. Wichtig ist, welches Ergebnis am Ende herauskommen soll. Ich weiß nicht, wie Allensbach in diesem speziellen Fall vorging. Doch die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass man die höheren Alterstufen befragte. Jene, die selbst keine Computerspiele spielen, vielleicht sogar nicht einmal mehr Kinder im entsprechenden Alter haben. Man nehme eine möglichst höhe Altersstufe, und schon bekommt man das gewünschte Ergebnis. Mit diesem können dann die Phrasendrescher der Nation ihre Wähler beruhigen, Gesetze begründen und sich in die Arme fallen. Zumindest bis zum nächsten Amoklauf.

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Keredin / ---
Donnerstag, 1. Januar 1970
Ja, Cowboy und Indianer, das weckt den Blutrausch in so manchen Kindern. ganz zu schweigen von "Tom & Jerry" und Co.
Darüber hinaus bin ich gespannt, wann die ersten Jugendlichen zu morden beginnen und als Grund nachher angeben, sie wollten mal sehen, ob die Menschen wirklich in ihre Einzelteile zerfallen und Lego-Noppen verlieren, wenn sie sterben, so wie in dem brutalen Killerspiel "Lego Star Wars II". Hier kommt ja neben dem bloßen Tötungsakt noch hinzu, dass die Spielerfigur auch materiell davon profitiert, andere zu töten. Ich war geschockt, als ich das das erste Mal spielte, und wüsste ich nicht bereits aus den Nachrichten, dem Geschichtsunterricht und Filmen wie "Stirb Langsam" und "Braveheart" und nicht zu vergessen "Die Passion Christi" als Gewaltvideo Nummer Eins, dass Menschen sich keinesfalls nach dem Ableben einfach auflösen - gut, nehmen wir "Die Passion Christi" wieder raus -, dann wäre ich flugs nach draußen gerannt und hätte es an ein paar Kindern ausprobiert.
...

Jaja, so ist das.
Gruß,
Keredin.
Gunter Arentzen / ---
Donnerstag, 1. Januar 1970
Haben wir nicht alle "Killerspiele" gespielt, lange bevor wir an den PC konnten? Haben wir nicht die Pistolen und Gewehre aus dem Faschingsfundus genommen, sind durch Wälder getobt und haben "geschossen"? Notfalls auch mal mit Ästen als Waffen?
Wir sollten es Kindern verbieten, solche Dinge zu tun. Sie üben für einen echten Amok-Lauf!

Danke für das Lob :-)
Keredin / ---
Donnerstag, 1. Januar 1970
Es wäre interessant, mal bei Allensbach um eine Aufschlüsselung der Altersgruppen und nicht zu vergessen der Geschlechterverteilung der Befragten zu bitten.
Ansonsten ist das Spielen solcher Killerspiele wohl Bestandteil des sozialen Umfelds der Täter. Dann wären bei Jugendlichen die Eltern die Schuldigen, die nicht wissen, was ihre Kinder spielen, oder sich nicht dafür interessieren. Die Motivation würden die Täter natürlich trotzdem aus den Spielen ziehen.
Man kann hinterfragen, warum solche Spiele geschaffen werden, in denen mit realistischen Waffen auf Menschen geschossen wird, aber man sollte auch mal untersuchen, wie viele vergleichbare Taten <b>nicht</b> diesen Hintergrund haben. Interessant ist auch, dass "Killerspiele" jetzt Horror- und Ballerfilme als Sündenböcke abgelöst hat. ie ar das noch mit "Tanz der Teufel"? Einst verboten wegen Gewaltdarstellung. Was man heute offiziell im Kino sieht, stellt alles locker in den Schatten, was Sam Raimi damals mit ganz viel Schminke und lustigen Requisiten kreiert hat. Ob es da eine Waagschale gibt? Dreißig Mal "Saw", "Hostel" oder "Kill Bill" gucken wiegt genauso schlimm wie einmal "Doom", "Deus Ex" oder "Rainbow Six" spielen? Lächerlich.

Nette Seite hier.
Keredin.