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Bericht: Eine Anthologie entsteht - Liberate Me

Abgelegt unter Aus der Werkstatt
Mittwoch, 28. Februar 2007

Eine Anthologie entsteht

 

Im Gespräch mit Sven Kössler, Mitherausgeber der Anthologie „Liberate Me“

 

Ende 2006 erschien mit „Liberate Me“ im Verlag Eloy Edictions eine Anthologie „aus den Tiefen des horror-forums.com“. Herausgegeben wurde sie von Sven Kössler und Werner Placho; beide nicht nur Mitbegründer des Forum, sondern auch selbst tief in der Literatur verhaftet. Während Werner Placho u. A. für Eloy Edictions als freier Lektor tätig ist, beschäftigt sich Sven Kössler seit vielen Jahren mit Literatur, Grafiken und der Phantastik im Allgemeinen.

Walter Diociaiuti, ein italienischer Musiker, ist wiederum nicht nur Inhaber des Verlages, sondern selbst Autor und bestens mit der Literaturszene in Italien und den USA vertraut. Man kann also sagen, dass es sich um einen glücklichen Zufall handelte, dass diese drei Personen im Horror-Forum (HF) aufeinander trafen und letztlich „Liberate Me“ veröffentlichten.

Doch greifen wir den Dingen nicht vor. Die Grundidee zu der Anthologie kam schließlich nicht über Nacht, wie Sven Kössler berichtet:Die Grundidee, in Zusammenarbeit mit Werner ein Buchprojekt zu machen ist eigentlich schon einige Jahre alt. Wir haben im HF sehr schnell bemerkt, dass wir gut zusammenarbeiten und einen sehr ähnlichen Geschmack haben. Eine konkrete Idee und die grobe Aufgabenverteilung – Werner „literarisch” und ich eher grafisch – stand damals schon.

Aber wie das so ist – nicht immer laufen die Dinge, wie sie sollen. Es kam zu Umstellungen innerhalb des Forums. Einige Mitarbeiter stiegen aus, die Dinge mussten neu geordnet werden. Die Idee zu der Anthologie geriet in Vergessenheit. Doch, so Sven weiter:Im Frühjahr 2006 kam ich im Chat des HF zufällig mit Walter Diociaiuti von Eloy Edicitions, den Werner auch bereits seit einiger Zeit gut kannte, ins Gespräch [...] und wir bemerkten, dass wir ebenfalls auf einer Welle liegen.

In einem der nachfolgenden Chats sinnierte ich darüber, dass die kleinen wie großen Autoren, die mittlerweile rege im HF unterwegs waren, trotz ihrer komplett unterschiedlichen Stile sich dennoch immer irgendwie unter dem Überbegriff „Phantastik” zuhause fühlten. Man müsste eigentlich eine Anthologie herausbringen, um dieses immense Spektrum abzubilden und zu zeigen, welch fähige Leute sich auf der Plattform HF so tummeln.

Walter sagte darauf „Klingt super! Mach es und wenn es gut ist, bringe ich es raus!”

Nur wenige Augenblicke später klopfte ich bei Werner an und reaktivierte unsere lange geplante Zusammenarbeit – er war sofort Feuer und Flamme.

Damit war eine große Hürde genommen; ein Verlag hatte bereits Interesse gezeigt. Herausgeber, Grafiken und Verleger – ein gutes Team. Doch damit füllt man nicht viele Seiten zwischen Cover und Buchrücken. Etwas fehlte noch, und zwar die Autoren. Sven berichtet:In den folgenden Wochen sondierten wir die Lage und klopften erst einmal sachte bei befreundeten Autoren an. Als Neulinge mit gerade mal einer vagen Idee im Kopf hatten wir uns auf einige Überzeugungsarbeit bei den Autoren eingestellt. Wir wussten ja nicht, ob das alles so machbar ist, wie wir uns das vorstellten und wie die Autoren darauf reagieren würden. Doch schon die ersten Anfragen bei Markus K. Korb, Markus Kastenholz, Andreas Gruber und einigen anderen wurden unglaublich positiv aufgenommen und unsere Idee unterstützt. Das war ein immenser Motivationsschub und der Punkt, an dem wir wussten, dass aus "Liberate Me” mehr als nur eine Idee werden kann. Das Projekt wuchs förmlich von alleine.

Klar war allerdings von Anfang an, dass wir uns vor allem auf den “Fundus HF” konzentrieren wollten, da wir dort mittlerweile mit vielen Autoren bekannt waren und sehr viel Potential sahen.

Ganz ehrlich – wir hatten uns auch nicht getraut “Fremde” mit unserer Idee zu belästigen. (lacht) Zu Beginn des Projekts hatten wir damit gerechnet, einen ganzen Korb an Absagen zu erhalten, im Endeffekt beteiligten sich dann allerdings lediglich drei der angefragten Autoren nicht am Projekt.

So weit, so gut. Aber jeder weiß, dass niemand perfekt ist. Wenn Geschichten eintreffen, können die selten so übernommen werden, wie sie sind. Es gibt immer mal einen Tippfehler, einen „unrunden“ Satz oder eine ungute Formulierung. Davor ist kein Autor gefeit. Wie lief das Lektorat bei „Liberate Me“?Das Lektorat wurde komplett von Werner gemacht, meist in enger Abstimmung mit dem jeweiligen Autoren. Ich habe nie einen so pflichtbewussten Lektor gesehen. Er hat sogar an den fertigen Druckfiles noch herum korrigiert.

Schaut man sich die Anthologie an, so findet man darin nicht nur Texte sondern auch Bilder. Diese sehen aus, als seien sie von Hand gezeichnet. Wie kam es dazu und wie sind diese Bilder entstanden?Die Idee der Illustrationen entstand eher spontan. Wir wollten einen Mehrwert für die einzelnen Storys haben und nicht nur eine simple Aneinanderreihung von Geschichten.

Ich hatte überlegt, was ich mir selbst als Leser wünsche. Hier fand ich z.B. die Story-Vorworte in einigen Bänden des Festa-Verlags immer sehr interessant. Diese Idee mussten wir allerdings recht schnell verwerfen, da es einfach nicht genug “Background” gab, den man an dieser Stelle hätte erzählen können.

Für einige Storys hatte ich bereits aus purem Spaß heraus Illustrationen entworfen und im Laufe der Zeit weiteten wir diese Idee auf die komplette Anthologie aus. So entwarf ich für jede Story eine eigene Grafik. Hierzu dienten mir als Grundlage Fotos, die zum Thema der jeweiligen Story passten. Manche Autoren stellten mich da vor schier unlösbare Aufgaben (lacht). Die Fotos wurden dann grafisch stark überarbeitet und am Ende in einen einheitlichen Stil gebracht.

Die Geschichten in einer Anthologie müssen in einer gewissen Reihenfolge vorliegen. Man kann sie nach dem Alphabet sortieren, nach dem Genre oder die Reihenfolge auswürfeln. Bei „Liberate Me“ lief es nach einer anderen Methode, wie Sven sagt:Zunächst stand der Rahmen. Wir wollten die Anthologie mit einer kurzen, aber umso heftigeren Story beginnen und es war sehr schnell klar, dass Andreas Grubers Geschichte dafür wie geschaffen war. Sie ist kurz und knapp und dennoch unglaublich wortgewaltig.

Auch Michael Siefeners Story zum Abschluss stand relativ schnell fest. Ich finde sie ist eine der mit Abstand stärksten Storys in „Liberate Me”. Sie hat mich unglaublich tief berührt und hallte sehr lange nach. Das war das perfekte Echo zum Ende des Buches.

Mit den restlichen Storys versuchten wir einen gewissen Spannungsaufbau zu schaffen. Dies war durch die unterschiedlichen Herangehensweisen an das Phantastik-Thema auch sehr gut möglich. So steigerten wir uns langsam von der romantischen Geistergeschichte hin zu den bluttriefenden Ausgeburten der Hölle (lacht).

 

„Liberate Me“ erschien in einer kleinen Auflage. Zudem sind die Bücher nummeriert, jedes Exemplar also ein Unikat. Warum das? Wäre eine größere Auflage nicht besser gewesen? Und wer hatte die Idee dazu, die Bücher zu nummerieren?Die Idee der Limitierung ist gereift als wir über die Auflage von „Liberate Me” nachdachten – welche Auflage druckt man vom „Fanprojekt” zweier bisher komplett unbekannter Herausgeber?

Eine nicht unwesentliche Frage; schließlich hängt davon auch der spätere Vertriebsweg ab. Wir entschieden uns dann bewusst für den direkten Weg zum Fan, also die bewusst niedrige Auflage im Eigenvertrieb.

„Liberate Me” ist im Grunde ein reines Produkt des Fandoms und wir wollten den Lesern, aber auch uns, kein „Sell-Out”-Produkt bieten, welches dann in einigen Monaten als Billig-Restposten den Leuten hinterher geworfen wird. Wirtschaftliche Gründe mal komplett außen vor – ich als Fan finde nichts schlimmer als heute ein Buch für 15 EUR zu kaufen und es in vier Wochen für einen Bruchteil des Preises im Ramschverkauf zu finden. Ich fühle mich als Käufer dann immer ein wenig „verarscht”. Daher auch die bewusste Limitierung – es sollte keine Ramschposten bleiben.

Die Idee der Handnummerierung kam von Walter, der diesen Job auch dankenswerterweise in tagelanger Kleinstarbeit übernommen hat. Ich fand die Idee sofort absolute klasse, denn ich bin auch jemand, der sich unglaublich gerne einen nummerierten Band ins Regal stellt und sich wie ein kleines Kind freut, wenn die eigene Wunschnummer noch zu haben war. Hier waren wir eigentlich wieder mehr Fans als Herausgeber – wir hatten überlegt, worauf wir selbst als Käufer achten, was uns gefällt und Freude macht. Und ich bin ein unglaublicher „Limitiert und nummeriert”-Fanatiker! (lacht)

Wichtig war uns zudem auch, dass sich dies nicht in irgendeiner Form im Preis niederschlägt, denn wir wollten nicht in die Schiene abrutschen „Ist limitiert und nummeriert – kostet deswegen mehr!”. Das limitierte “Liberate Me” kostet also keinen Cent mehr oder weniger als eine normale Variante davon gekostet hätte. Das war uns sehr wichtig.

Nun ist die Anthologie auf dem Markt. Wie sind die Reaktionen? Wie die Verkäufe? Hat sich der Aufwand gelohnt?

Sven nickt.Die bisherigen Stimmen sind überraschend gut! Durch die doch sehr weite Bandbreite der Storys befürchteten wir, dass man uns eine gewisse Unruhe oder Inkonsequenz vorhalten würde.

Jede Anthologie hat gute und weniger gute Storys – das ist ganz normal und hängt vor allem mit den unterschiedlichen Geschmäckern der Leser zusammen. Dennoch haben wir es wohl irgendwie geschafft, dass „Liberate Me” für jeden Lesegeschmack etwas bietet.

Natürlich gab es auch himmelhochjauchzende Stimmen und einige üble Verrisse. Beides sollte man der nötigen Skepsis betrachten. Aber im Gesamten bin ich überrascht und sehr zufrieden mit dem durchwegs positiven und vor allem fundierten Feedback.

Der Verkauf ist ebenfalls überraschend gut. Alleine durch die Vorbestellungen war bereits fast ¾ der Auflage weg. Es sind nur noch einige Exemplare von „Liberate Me” übrig – aber wer Interesse hat, sollte Gas geben.

 

Vielen Dank an Sven Kössler für die Beantwortung der Fragen.

ga

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