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Vogelgrippe

Abgelegt unter Satire
Freitag, 18. Mai 2007

Landau Hauptbahnhof.

Das klingt nach dem Duft der großen, weiten Welt. Nach pulsierendem Leben, nach Menschenmassen und abfahrbereiten Zügen auf unzähligen Gleisen. Nach dem Duft von Gebratenem, dem Knoblauch von Dönerbuden und der schrillen Marktschreierstimme eines fliegenden Händlers.

Die Wahrheit sieht anders aus.

Fünf Gleise, keine Menschenmengen und wenn etwas duftet, dann ist es der Furz von einem Typen, der schon um zehn das dritte Bier sowie den dritten Schnaps intus hat und nun auf einer schmuddeligen Holzbank darauf wartet, dass sein Bummelzug kommt und er nach Hause schwanken kann. Snacks gibt es aus dem Automaten, in der Unterführung zwischen Gleis 3 und 4 stinkt es nach Pisse. Landau Hauptbahnhof.

Und mitten drin, auf Bahnsteig 3 – ich. Zumindest heute Morgen um kurz nach elf. Während ich dort so saß und über das Leben im Besonderen und Allgemeinen nachdachte, dabei das plärrende Kleinkind links von mir, den Furzer rechts und die schreienden, unerzogenen Teenager vor mir zu ignorieren versuchte, geschah es.

Eine Taube kreuzte mein Sichtfeld, blieb auffordernd vor mir stehen und nieste sieben Mal in Folge. Nicht einmal, nicht zweimal, nein – sieben Mal. Sieben leise Hatschis von einem Vogel.

Sofort perlte mir der Angstschweiß über die Stirn. Vogel + 7x Hatschi = Erkältet. Vogel + Erkältung = Vogelgrippe.

Noch vor einem Jahr befanden wir uns in heller Aufregung wegen Influenza A/H5N1. Wir ließen unsere Katzen nicht mehr raus, schlachteten sorgfältig das Federvieh von betroffenen Bauern, schnupperten argwöhnisch an der Vogelscheiße, die auf unseren Fensterbänken trocknete und beobachteten jeden Vogel mit Misstrauen, der nicht in einem perfekten Gleitflug über unsere Köpfe hinweg segelte.

Jene, die es taten beachteten wir auch voll Misstrauen. Inkubationszeit und so.

Und jetzt wagte es dieser kleine Denkmalbeschmutzer, vor meinen Augen sieben Hatschis hören zu lassen. In einem Anflug von wilden Aktionismus wollte ich mich auf die Taube stürzen und ihr den dünnen Hals umdrehen. Sicher ist sicher.

Doch im letzten Moment überlegte ich es mir anders. Was hätten die Menschen um mich herum gesagt, wäre ich einem Berserker gleich über das Viech hergefallen?

Ich beließ es daher bei einem kräftigen Schu-Schu in der Hoffnung, dass mich die tickende biologische Zeitbombe verschonen und statt meiner den Furzer infizieren würde. In solchen Momenten ist sich schließlich jeder selbst der Nächste. Aber auch als aus dem Schu-Schu ein Tritt mit dem Schuh-Schuh wurde, wollte das Vieh nicht verschwinden. Dreist stellte es sich etwa zwei Meter von mir entfernt auf den Bahnsteig, starrte mich an – und nieste erneut. So, als wolle sie mich herausfordern. So, als wolle sie mir hämisch zurufen, dass sie am längeren Virus sitze. Komm schon her, du Mensch. Komm und vertreibe mich. Dann kann ich dich anstecken, gurr, gurr, gurr.

Mit zitternden Händen umschlang ich meinen Rucksack enger. Meine Knie schlotterten, die Füße scharrten über den mit Kaugummiresten übersäten Bahnsteig. Sollte sie kommen, sollte es das Vieh wagen, sich mir auf Schlagweite zu nähern, wäre sein Leben verwirkt. Andererseits hätten in diesem Falle die Keime an meinem Rucksack geklebt.

Und dann?

Die Lautsprecherdurchsage erlöste mich. „Auf Gleis 3 fährt ein, der Regionalexpress nach Karlsruhe über Winden, Kandel und Wörth.“

Sicher, dass die Taube nicht einsteigen würde erhob ich mich und wanderte ein paar Schritte. So, als sei alles in bester Ordnung und so, als würde nicht eine potenzielle Vogelgrippe nur wenige Schritte entfernt auf ihre Chance lauern.

Auch die Jugendlichen machten sich bereit. Ungezogenen und laut, wie sie nun einmal sind kreischten sie mir unverständliche Worte durch die Gegend. Dabei hampelten sie herum, die Taube erschrak – und flatterte ängstlich in den mit hohem Tempo heran nahenden Zug.Watsch.

Da sag einer, die natürliche Auslese der Natur würde nicht mehr funktionieren.

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Gunter Arentzen / ---
Freitag, 2. Januar 1970
Hallo,

vielen Dank für den netten Kommentar. Ja, das wäre in der Tat schröcklich :-) Gestern fuhr ich mit Bus und Bahn nach Marburg zum Con. Aber unterwegs traf ich keine niesenden Tauben :-)
Zum Glück!
Bernd / ---
Donnerstag, 1. Januar 1970
Url: http://weltenbaum.de
Gesundheit(!), ist wohl die Moral von der Geschicht' - ihr gilt's, danach zu Streben, auch auf lange Sicht.
Wenn ich da so zehn, zwölf Tage in dem Blog zurück blättere, bin ich doch sehr froh, dass jegliche Phantasie zwar Flügel verleiht, aber selten zu Zwischenlandungen auf Bahnsteigen zwingt. Es wäre doch ein gar schröckliches Ereignis gewesen unseren Lieblingsautoren - watsch, im Fluge unvollendeter Gedanken - an der Nase irgend eines Regionalzuges im Woauchimmer zu wissen. ;-)