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Veröffentlichen um jeden Preis?

Abgelegt unter Aus der Werkstatt
Sonntag, 13. Februar 2011

Ich möchte das Debakel beim Zauberspiegel - die Geschichte heißt schlicht "Kuhjunge (Teil 1)" - aufgreifen, um eine Frage zu stellen: Muss man jeden Stuss veröffentlichen, der einem angeboten wird?

Das mag polemisch klingen, hat aber ganz reale Bezüge. Als Chefredakteur vom Geisterspiegel, aber auch als Verleger bekommt man häufig Material angeboten, das einem bei näherer Betrachtung die Haare zu Berge stehen lässt. Ja, man könnte von einer Vergewaltigung der Deutschen Sprache sprechen - eigentlich müsste die Schwarzer darüber in der BILD berichten, denn auch die Sprache ist weiblich. Aber das nur nebenbei.

Schaut man sich beim Zauberspiegel betreffende Story an, dann erkennt man sofort, dass sie eigentlich nie hätte veröffentlicht werden dürfen. Dies sieht wohl sogar der für Korrekturen zuständige Mitarbeiter so, denn er schreibt:

#3 Pisanelli
2011-02-1313:03:15 Okay, ich habe mal durchkorrigiert. Leute, echt, das geht so nicht! Schon mal was von Komma gehört?
Und der zweite Satz ist 'ne Zumutung. Muss das alles in einen Satz???
Ich verstehe auch nicht die Sätze: Man ehrte ihn, Frauen wie Männer. Recht wie Unrecht. Der zweite Teil - was soll das heißen? Wohl doch eher die Rechten wie die Unrechten? Nee, also, das ist doch eher abschreckend… sorry, wenn ich das so hart sagen muss.

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Zumal die Geschichte zuvor kaum lesbar war, so viele Fehler enthielt sie, wie der Kommentar eines gewissen Zimtos zeigt:

#1 Zimtos
2011-02-1215:43:29 Entschuldigt, wenn mein erstes Positing negativ klingt aber - was ist denn das für ein trauriger Text? So viele Fehler auf einem Haufen habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Sätze ergeben keinen Sinn, Kommas fehlen oder sind an der falschen Stelle ? Das ist gruselig

Warum nur wurde die Geschichte veröffentlicht? Weil man glaubt, jedem Autor eine Chance geben zu müssen? Oder weil Masse und Klasse verwechselt werden?

Schaut man sich die Frequenz der Veröffentlichungen beim Zauberspiegel und jene beim Geisterspiegel an, so stellt man fest, dass der Zauberspiegel mehr Artikel veröffentlicht. Das ist ein Fakt. Aber was sind das für Beiträge? 

Geschichten wie diese sind kein Einzelfall. Dann kommen "olle Kamelle" hinzu, wie nun die Beiträge zu einer Serie, die schon vor 20 Jahren keiner mehr lesen wollte. Da wird tief gegraben. Das mag alte Besucher der Seite interessieren, Besucher, die damals diese Romane gelesen haben. Aber das Gros der Internetuser dürfte der Zukunft zugewandt sein.

Zu den "ollen Kamellen" zähle ich mal, dass jeder Tote, der irgendwie ins Schema passt, einen großen Artikel erhält. 

Masse statt Klasse, wie ich meine.

Nun kann der Zauberspiegel natürlich im Gestern leben, wenn er das möchte, jeden Toten x-fach beweinen und Leute aus dem Ruhestand zerren, die wahrscheinlich kaum jemand kennt - ist sein gutes Recht. Dafür hat HHvA sein eigenes Ding gemacht, dafür zeichnet er verantwortlich.

Was ihn jedoch nicht von seiner Sorgfaltspflicht freispricht, die er seinen Autoren, Redakteuren und den Lesern gegenüber hat.

Und damit kommen wir zurück zu meiner Frage, ob man wirklich jeden Schunder veröffentlichen muss, der einem angedienert wird.

Hätte der Kuhjunge-Autor die Story bei uns eingereicht, wir hätten ihm erklärt, dass es so nicht geht und warum es so nicht geht. Damit wäre dem Autor mehr geholfen gewesen, als den Stoff durch eine Korrektur zu jagen und dann auf die Webseite zu pinnen. Denn hier mangelt es nicht nur an Rechtschreibung, sondern an Aufbau, Erzählweise, Spannung, Struktur.

Als ich mit dem Schreiben anfing, das war Ende der Achtziger, dachte ich auch, meine kurzen Texte seien schlicht genial. Und ja, meine Mutter und Freunde bestärkten mich in dem Glauben. Später waren es Kolleginnen, die mir mehr oder weniger zujubelten.

Aber all das brachte mich nicht weiter.

Eine Entwicklung setzte erst ein, als ich im Internet - damals bei AOL - echte Kritik erfuhr.

Und die ließ mich fast zur nächsten Selbstmörderbrücke eilen.

Heute weiß ich - ohne diese Kritik gäbe es kein Chris Schwarz, keine Schatzjägerin und es gäbe nicht all die anderen Romane, die ich geschrieben und veröffentlicht habe.

Was hätte es mir also damals geholfen, wäre jemand hingegangen, hätte sich für den Text bedankt, ihn korrigiert und auf seine Webseite gestellt?

Nichts.

Ich hätte es stolz erzählt. "Schau! Jemand, der sich wirklich auskennt, hat meinen Text genommen …"

Wir, und damit meine ich all jene, die ein solches Magazin wie den Geisterspiegel oder den Zauberspiegel betreiben, tragen eine Verantwortung für unsere Mitarbeiter. Dieses "Verantwortlich im Sinne des Presserechts" ist mehr als eine Floskel, die man eben ins Impressum schreibt. Sie verpflichtet einen, ein waches Auge auf die Veröffentlichungen zu haben und auch, Redakteure oder Autoren vor sich selbst zu schützen. Etwas, das im vorliegenden Fall dringend notwendig gewesen wäre, denn dass eine Fortsetzung folgt ist in diesem Fall eine Drohung, kein Versprechen.

Der Autor hat verloren und es wäre die Aufgabe von HHvA gewesen, dies zu verhindern.

Auch wenn es manche Autoren nicht so sehen, kann eine Absage doch zu ihrem Vorteil sein. Eben weil jemand da sitzt, der sich auskennt, muss dieser auch in der Lage sein, die Guten ins Töpfchen, die Schlechten hingegen ins Kröpfchen zu geben. Verbunden mit konstruktiven Hinweisen an den Autor ist das eine echte Hilfe, ist das einer der Punkte, für die man als Herausgeber oder Chefredakteur verantwortlich ist. Und eben darum darf nicht jede Hühnerkacke veröffentlicht werden.

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